1560 - Ahnenfluch
Vorschlag. Das Hockenbleiben brachte ihnen nichts ein. Sie mussten Klarheit haben. Es wäre schrecklich, wenn auch die Besatzung in Mitleidenschaft gezogen worden wäre.
»Bitte, gib auf dich acht.«
»Keine Sorge.«
Suko stand. Jetzt konnte er die gesamte Kabine überblicken. Bevor er ging, wollte er sich umschauen und nach den übrigen Passagieren sehen.
Außer ihm stand niemand. Suko drehte sich auf der Stelle, und sein Blick glitt bis zum Heck des Fliegers. Was er sah, hätte ihn beruhigen können, doch in Anbetracht der Vorgänge gab es nichts mehr, was ihn beruhigt hätte.
Die Leute saßen in ihren Sitzen. Einige waren noch angeschnallt, andere nicht. Sie sahen aus wie brave Schüler, die den Befehl erhalten hatten, sich nicht zu bewegen.
Als normal sah Suko ihr Verhalten nicht an. Es gab keinen, der sich mit einem anderen unterhielt. Sämtliche Passagiere saßen bewegungslos. Wie von einem unheimlichen Zauber befallen.
Einige schauten nach vorn. Andere hielten ihre Köpfe gesenkt. Wieder andere schauten in ihre Zeitungen oder Magazine, ohne zu lesen. Das alles glich einem stummen Theater.
Nur Suko und Shao waren von dieser Starre verschont geblieben. Auch von den Flugbegleiterinnen sah Suko nichts. Er rechnete jedoch damit, dass sie ebenfalls nicht davon ausgenommen waren, sonst hätte sich längst eine gezeigt, denn sie hatten immer zu tun und mussten sich um die Passagiere kümmern.
Shao hielt es in ihrer Sitzposition nicht mehr aus. Sie stand ebenfalls auf, um sich einen besseren Überblick zu verschaffen, und sprach Suko mit leiser Stimme an.
»Das ist ja schrecklich! Die Leute können sich nicht mehr bewegen. Nur wir.«
»Ja, du darfst dich als Mittelpunkt fühlen.«
»Darauf verzichte ich.« Shao reckte sich, um noch mehr sehen zu können, und sie fasste es nicht, was sie sah.
»Bleibt es bei deinem Plan?«, fragte sie mit gepresster Stimme.
Suko nickte. »Ja, es bleibt dabei. Ich muss wissen, was mit der Cockpit-Besatzung los ist.«
»Gut, ich warte.«
Suko hatte genug gesehen, ohne allerdings etwas dagegen unternehmen zu können.
Er musste sich erst einmal Klarheit verschaffen und versuchen, seine Gedanken auszuschalten, die seine Konzentration störten. Nerven behalten und sich innerlich trotzdem darauf einstellen, dass sich von einer Sekunde auf die andere alles verändern konnte.
Er wusste, dass die übrigen Fluggäste ihn überhaupt nicht wahrnehmen würden. Sie alle hockten wie leblos in ihren Sitzen. Es gab niemanden, der sich normal oder überhaupt bewegt hätte. Von den Passagieren drohte ihm keine Gefahr.
Suko schritt langsam nach vorn. Die Maschine lag wie ein Brett in der Luft. Es gab keine Schwankungen, die sich auf Suko übertragen hätten, und auch das kam dem Inspektor in diesem Fall nicht normal vor.
Er hatte hier den Eindruck, sich als einziger wacher Mensch durch eine Traumwelt zu bewegen, die urplötzlich eine brutale Veränderung erfahren konnte.
Selbst das Atmen der Passagiere hatte sich reduziert. Suko hörte es kaum noch. Hin und wieder gab es eine unbewusste Bewegung bei den Sitzenden, das war auch alles.
Suko musste ins Cockpit hinein und nachschauen. Es würde abgeschlossen sein.
Von innen her konnte es geöffnet werden, und Suko hoffte intensiv, dass die Besatzung von dem unheimlichen Vorgang verschont geblieben war. Für ihn stand es zweifelsohne fest, dass es um den mumienhaften Toten ging. Und er fragte sich stärker denn je, ob die Gestalt überhaupt normal tot war und sich nicht in einem Zustand befand, der von bösen Mächten herbeigerufen worden war.
Von den Stewardessen sah er nichts, obwohl er die Hälfte der Strecke bereits hinter sich gelassen hatte. Noch gab es keine Veränderung in der Umgebung. Nach wie vor lag dieser dünne grünliche Schein innerhalb des Fliegers, ohne dass sich in ihm irgendwelche Gestalten abzeichneten.
Bis sich alles änderte.
Es geschah ohne Vorwarnung. Suko bekam nichts mit. Vor ihm, genau im Gang, verdichte sich etwas. Dort drehte sich die Luft, so jedenfalls sah es für ihn aus, und als er in einem Reflex die Augen weiter öffnete, da stand die Gestalt vor ihm.
Es war der Tote aus dem Sarg!
***
»Und?«, fragte Glenda Perkins mich. »Bist du jetzt schlauer?«
Ich hob die Schultern und trank einen kräftigen Schluck Kaffee.
»Das weiß ich nicht genau.«
»Was weißt du dann?« Glenda saß auf der Schreibtischkante, hatte ein Bein angezogen und baumelte mit dem Fuß.
»Zu wenig.«
»Aha. Und
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