1560 - Ahnenfluch
Inspektor nickte. Er nahm den Arm von Shaos Schultern. Er musste jetzt bereit sein und durfte auf keinen Fall die Nerven verlieren. Er dachte dabei an die übrigen Passagiere und ging davon aus, dass ein Angriff auf die Maschine bevorstand.
Er und Shao hatten den Toten gesehen, der nicht normal aussah. Ein uralter Mensch, mehr eine Mumie, und trotzdem mit einer Kraft versehen, die nicht von dieser Welt war und aus einer tiefen Hölle stammen musste.
Eine andere Macht hatte hier die Kontrolle übernommen. Die letzte Nacht war nicht vergessen, und Suko sah die Vorgänge nun mit anderen Augen an. Sie hätten auf die Warnung hören und den Rückflug nicht antreten sollen. Jetzt war es für eine Reue zu spät.
Und wer immer sich hinter der anderen Seite verbarg, diese unbekannte Macht war über sie informiert, sonst hätte sie die nächtliche Warnung nicht geschickt.
Shao hatte wieder zu sich selbst gefunden und sprach normal.
»Ich weiß auch nicht, was mit mir los gewesen ist, Suko. Plötzlich war es da. Wie ein Ansturm. Ich habe Dinge gesehen, die ich jetzt nicht mehr sehe.« Sie umfasste seinen rechten Arm. »Verstehst du das?«
»Ja.«
»Dann ist es dir ebenso ergangen?«
»Fast, Shao, fast. Es ist etwas hier, das nicht hierher gehört. Wir beide haben es gespürt, aber schau dir die anderen Passagier an. Sie hocken auf ihren Plätzen, als würden sie schlafen. Aber sie schlafen nicht. Ich glaube nicht, dass sie ihre Augen geschlossen haben. Sie sind nur nicht mehr fähig, sich normal zu verhalten, und dem müssen wir Rechnung tragen.«
»Ja«, sagte Shao leise. »Aber was ist mit uns geschehen?«
»Gar nichts.«
»Das stimmt nicht.«
»Okay«, sagte Suko, »im Vergleich zu den anderen Leuten ist nichts mit uns geschehen. Noch nicht. Wir können uns normal unterhalten. Wir können nachdenken, Schlüsse ziehen, wir bewegen uns normal, aber wir wissen, dass diese Normalität brüchig ist. Wer immer die fremde Kraft ist, sie hat sich auf uns konzentriert, was ich sogar als einen Vorteil ansehe. Es ist wenigstens nicht zu einer Panik gekommen. Die Menschen hätten durchgedreht, so sind sie nur in eine Lethargie gefallen.« Er nickte. »Ja, so sieht es aus. Die anderen Mächte haben sie ausgeschaltet.«
»Siehst du denn was?«
»Nein.«
»Ich auch nicht«, flüsterte Shao, »aber ich weiß, dass sie hier sind. Sie lauern im Unsichtbaren. Nur vorhin, da habe ich sie gespürt, und du hast doch dieses grüne Licht auch gesehen, oder nicht?«
»Ja, das habe ich. Durch sein Erscheinen konnte es die Passagiere beeinflussen.«
Für beide stand fest, dass sie eine Erklärung gefunden hatten. Leider konnten sie nichts damit anfangen. Sie steckten in einer vertrackten Lage. Hätten sie nicht in einem Flieger gesessen, hätte alles anders ausgesehen, aber sie hockten nun mal in dieser engen Kabine, aus der es keine Fluchtmöglichkeit gab.
»Wo ist der Ausweg, Suko?«
»Ich kenne ihn nicht. Es gibt für uns keinen Ausweg und auch keinen Ausstieg. Wir können nur hoffen, dass wir nicht die einzigen Menschen sind, die von der Beeinflussung verschont geblieben sind. Wenn nicht, sieht es nicht gut für uns aus. Du weißt, was ich meine?«
»Sicher. Du denkst an die Besatzung.«
Suko nickte. »Genau.«
»Und was tun wir jetzt?«, murmelte Shao, wobei ihr anzusehen war, dass sie über eine Lösung nachdachte. Die Frage hatte sie eher so dahingesagt.
»Wir können nichts tun, Shao. Wir müssen die Dinge auf uns zukommen lassen. Die Gegenseite hat das Kommando übernommen, und das müssen wir leider akzeptieren.«
»Es passt mir nicht. Für mich hat es bisher immer einen Ausweg gegeben. Das weißt du.«
»Hier ist alles anders. Es geht nicht nur um uns, Shao. Es geht vor allen Dingen um die anderen Passagiere. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die andere Seite Mitleid kennt. Sie wird ihren Plan ohne Rücksicht auf Verluste durchziehen.«
Shao ballte ihre Hände. Ihr hübsches Gesicht verzog sich für einen Moment. »Aber wir können doch nicht hier sitzen und einfach nur tatenlos zuschauen!«
»Doch, das können wir. Das müssen wir sogar. Ob es uns gefällt oder nicht. Trotzdem hast du mich auf eine Idee gebracht. Ich habe nicht vergessen, dass du die Besatzung erwähnt hast.«
Suko nickte entschlossen. »Ich muss wissen, was mit ihr geschehen ist.« Mit einem Ruck stand er auf. »Ich werde mal nachschauen.«
Shao sagte nichts. Das Erschrecken war ihr deutlich anzusehen. Nur hatte sie keinen besseren
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