1567 - Der russische Rambo
dazu passte die Umgebung, die eine gewisse Hoffnungslosigkeit vermittelte.
Hinter einem Tresen arbeiteten zwei Frauen, die violette Kittel trugen.
Frisch gekochte Mahlzeiten gab es hier nicht. Man konnte nur etwas trinken und einige kleine Mahlzeiten zu sich nehmen, die zumeist aus pappigem Brot bestanden, das mit irgendwelchen undefinierbaren Fleischsorten belegt war.
Auch hier gab es Fenster aus Glasbausteinen, die nicht besonders viel Licht hereinließen.
Suko hatte sich einen Platz ausgesucht, von dem er die Tür im Auge behalten konnte. Vor ihm stand eine Flasche Mineralwasser.
Wladimir erkundigte sich, ob ich auch etwas trinken wollte.
Ich entschied mich ebenfalls für Wasser.
Der Russe ging zur Theke, um es zu holen.
Ich setzte mich Suko gegenüber.
Er schaute mir in die Augen und sagte mit leiser Stimme: »Dumme Frage, John, aber wie war's?«
»Schlimm.«
»Das dachte ich mir. Siehst du eine Chance?«
»Keine Ahnung. Da können wir mehrere Ärzte fragen und würden immer nur die gleiche Antwort erhalten. Ein Anheben der Schultern. Schlimm war Karinas Anblick. Ich zumindest hatte eher den Eindruck, eine Tote vor mir liegen zu sehen als eine Frau, die nur schläft. Ich kann dir den Zustand auch nicht richtig beschreiben, aber so ist er mir vorgekommen. Das hat mich schon tief getroffen - und Wladimir ebenfalls. Ich habe ihn noch nie so emotional aufgeladen gesehen.«
»Auch er ist kein Roboter.«
»Du sagst es.«
Wladimir Golenkow setzte sich schweigend zu uns. Er schaute ins Leere und schien nicht ganz bei der Sache zu sein.
Ich öffnete meine Flasche und verzichtete auf ein Glas.
Der Russe schüttelte den Kopf.
»Es ist einfach schlimm«, sagte er mit leiser Stimme. »Es ist jedes Mal das Gleiche. Ich gehe hin, ich habe Hoffnung, und wenn ich vor dem Bett stehe, wird sie zerschlagen. Dann sehe ich eine Tote vor mir, die trotzdem nicht tot ist. Aber was ich da sehe, möchte ich auch nicht als Leben bezeichnen. Das ist etwas ganz anderes. Das ist ein Nichts. Einfach ein Zustand, an den man sich nicht gewöhnen kann. Zumindest ich nicht.« Er deutete gegen seine Stirn. »Ich bin auch irgendwie verbohrt. Ich bin nicht mehr fähig, normal zu denken, und deshalb bin ich so froh, dass ihr mir zur Seite steht, denn dieser Fall muss gelöst werden.«
Suko fragte: »Ist es denn ein Fall?«
»Ja, davon bin ich überzeugt. Es ist nicht normal, dass Karina in dieses Koma fiel, und ich glaube fest daran, dass es für ihren Zustand einen Schuldigen gibt.«
»Wen?«, fragte ich.
»Gogol!«
Ein Name nur, ein Wort, das Suko und mich zum Schweigen brachte.
Wir schauten uns an, aber keiner von uns brachte ein Wort über die Lippen.
Bis Suko fragte: »Wer ist Gogol?«
Wladimir schaute auf seine leicht zitternden Hände, als er erwiderte:
»Gogol ist ein Mensch und ein Monster zugleich.«
»Ein Dämon?«
»Nein, das würde ich nicht sagen. Er ist manipuliert worden, und dahinter kann durchaus eine böse Macht stecken. Vielleicht sogar die Kräfte der Hölle, ich weiß es nicht genau.«
»Aber du kennst Gogol?«, fragte Suko.
»Ja, ich kenne ihn. Auch Karina kennt ihn, denn er ist mal einer von uns gewesen.«
»Ein Agent?«
Wladimir nickte Suko zu. »Das kann man so sagen. Und es gibt noch weitere Parallelen. Er arbeitete für uns an einem Fall. Ich spreche jetzt nur von seinem letzten, der wohl zu hoch für ihn gewesen war. Jedenfalls hat er ihn nicht lösen können, denn die andere Seite war stärker. Sie hat ihn nicht getötet, aber sie hat dafür gesorgt, dass er ins Koma fiel.«
»Nein«, flüsterte ich.
»Doch, so ist es gewesen.«
»Erwachte er denn wieder?«
»Ja.« Wladimir nickte heftig. »Und jetzt fängt das Problem an. Gogol erwachte und war völlig anders. Die Zeit im Koma hatte ihn zu einem Monster gemacht. Er kannte keine Gnade mehr. Er killte, er war zu einem Tier geworden und zugleich ein Problem für uns. Irgendetwas muss mit ihm im Komazustand passiert sein.«
»Karina hat ihn gejagt?«
»Ja, Suko, das hat sie getan. Sie war auf Gogol angesetzt worden, der inzwischen den Kampfnamen ›der russische Rambo‹ bekommen hat, und das nicht zu Unrecht. Er hinterließ eine blutige Spur. Wir haben auch keinen Sinn in seinen Morden gesehen, aber er tötete, und das ohne Rücksicht. Gogol ist eine Bestie, die leider noch frei herumläuft.«
Er trank einen Schluck Wasser, sodass ich Zeit hatte, die nächste Frage zu stellen.
»Hat Karina ihn denn stellen können?«
»Ja, das hat
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