1567 - Der russische Rambo
sie geschafft. Was dann passiert ist, weiß ich nicht. Jedenfalls fanden wir sie in einer Röhre auf einer der zahlreichen Baustellen in der Stadt. Sie war nicht tot. Sie hat nur das erlebt, was auch Gogol hinter sich hat. Ich weiß nicht, warum man sie hat liegen lassen. Gogol hätte sie auch töten können, und ich grüble über den Grund nach, warum er es nicht getan hat.«
»Falls er es war, der sie in diesen Zustand versetzt hat.«
»John, da gibt es für mich keine andere Möglichkeit. Das muss Gogol gewesen sein.«
»War Karina denn verletzt?«
»Nein, das war sie nicht. Es gab keine Wunden an ihrem Körper. Wir haben nichts entdecken können. Nur eben diesen schlimmen Zustand, in dem sich auch Gogol befunden hatte.«
»Und aus dem er wieder erwacht ist«, sagte Suko.
Golenkow nickte.
»Dann besteht auch Hoffnung für Karina.«
Wladimir hätte Suko jetzt freudig zustimmen können. Das tat er aber nicht. Er war sehr nachdenklich geworden und sagte schließlich: »Wenn ich daran denke, was aus Gogol geworden ist, nachdem er aus dem Koma erwachte, fürchte ich mich fast davor, dass das Gleiche mit Karina geschehen könnte. Das muss man einfach so sehen.«
Mir rann es kalt über den Rücken, während ich flüsterte: »Du hast Angst, dass sie völlig verändert aufwacht?«
Wladimirs Blick wurde traurig.
»Ja, ich habe große Angst davor, dass Karina das gleiche Schicksal widerfahren könnte. Und ich fühle mich so einsam und hilflos wie nie. Deshalb habe ich euch angerufen. Ich kann das nicht allein durchstehen. Ich kann mich auch nicht nur um Karina kümmern. Da würde man mir von höherer Stelle die Hölle heiß machen, und deshalb setze ich meine große Hoffnung auf euch.«
Ja, das verstanden wir. Es war ihm zwar kein großer Trost, aber ich musste ihm einfach auf die Schulter klopfen. Wichtig war jetzt, dass wir Informationen erhielten.
Das sah auch Suko so, denn er wandte sich mit einer direkten Frage an Golenkow.
»Wie sieht Gogol aus?«
Wladimir lächelte. »Ich habe mir gedacht, dass ihr das fragen würdet.«
Er griff in seine Innentasche. »Deshalb habe ich ein Bild von ihm eingesteckt. Es wurde vor seinem Koma geschossen.« Er legte es auf den Tisch, sodass Suko und ich es uns anschauen konnten.
Wie sah er aus?
Er war ein Mensch und kein Tier. Aber er war niemand, mit dem ich gern zusammen ein Bier getrunken hätte.
Ein schmales Gesicht, düstere Augen, hohe Wangenknochen, über die sich straff die Haut spannte, eine schmale, gebogene Vogelnase, ein breiter Mund, der einen zynischen Zug zeigte, und das lange Haar, das er nach hinten gekämmt hatte. Es zeigte einen Farbton, der zwischen schwarz und grau lag.
»Das ist er also!«
»Genau, John.«
»Nicht eben ein Sympathikus«, meinte Suko. »Hast du ihn gern in deiner Truppe gehabt, Wladimir?«
»Nun ja, er war nicht direkt in meiner Truppe, das muss ich mal klarstellen. Er hat sich immer zwischen den Organisationen bewegt. Er hat für mehrere gearbeitet, und das war meist ein Job, den nicht jeder machen wollte.«
»Er hat also getötet?«
»Man kann es so sagen.«
»Und seine Taten wurden durch die Dienste gedeckt?«
»Auch das kann ich nicht abstreiten. Aber ihr wisst selbst, dass Agenten keine Pfadfinder sind und jeden Tag nach einer guten Tat gieren. Jedenfalls ist er uns völlig aus den Händen geglitten, das muss ich leider gestehen, und daran konnte niemand etwas ändern.«
Ich ließ mir die Worte durch den Kopf gehen, ebenso wie Suko. Beide schwiegen wir in den nächsten Sekunden, bis mein Freund eine Frage stellte, mit der auch ich mich schon beschäftigt hatte.
»Als was siehst du diesen Gogol?«
Wladimir war leicht überfragt. »Wie meinst du das?«
»Ganz einfach. Ich möchte wissen, ob er für dich noch ein normaler Mensch ist. Zwar grausam, aber trotzdem ein Mensch.«
»Das ist schwer zu sagen.« Golenkow lehnte sich zurück. »Kann man nach dem Erwachen aus dem Koma noch ein normaler Mensch sein? Oder ist da nicht etwas zerstört worden? Er läuft Amok, er tötet, das alles ohne Sinn und Verstand…«
»Ich möchte auf etwas anderes hinaus.« Suko blieb am Ball. »Wäre es möglich, dass wir ihn in die Kategorie Zombie einstufen müssen? Also als einen lebenden Toten?«
Ich hielt mich zurück, aber der Gedanke meines Freundes war gar nicht so verkehrt.
Golenkow aber schluckte. Er stöhnte auch leise auf und schien Sukos Vermutung nicht nachvollziehen zu können.
»Ein - ein Zombie?«
»Ja.«
Golenkows
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