1572 - Das Ritual
ersten Schritt in die Vollkommenheit taten. Es war ein Versuch, um zu beweisen, dass all die theoretischen Vorbereitungen gefruchtet hatten.
Eine Störung konnte er nicht gebrauchen. Aber er fürchtete, dass dieser Fremde nicht locker lassen würde, und er ging davon aus, dass ihm ein gefährlicher Feind auf den Fersen war.
Nach einem leisen Stöhnen legte er sich auf die Matte. Er starrte gegen die Decke, die aus dunklen Holzstämmen bestand. Sie lagen nicht sehr dicht nebeneinander, sodass am Tag immer Licht durch die Spalten sickerte und das Innere der Hütte schwach erhellte.
Nur er und seine Jünger kannten den Weg, und sie würden sich eher die Zunge abbeißen, als etwas zu verraten. Das hier war ihr Refugium, ihr Heiligtum.
Lambert schloss die Augen. Er wollte für sich sein, und er wollte zugleich den Weg nach außen finden. In die Welt, die man nicht sah, die aber trotzdem vorhanden war und deren Grenze für ihn durchlässig geworden war.
Es war so wunderbar, sich einfach fallen zu lassen oder sich hinzugeben. Er liebte es. Er hatte dann das Gefühl, von einer anderen Seite aufgefangen zu werden, die ihn stärkte und mit Kräften versah, die es auf dieser Welt nicht gab.
Seine Augen schlossen sich von allein. Er lag da, und trotz der geschlossenen Augen war er in der Lage, etwas zu sehen. Es war nur nicht die normale Welt. Um ihn herum hatte sich das aufgebaut, das ihm die neue Kraft gegeben hatte.
Er sah die Gestalten, die Gesichter. Er nahm die fremden Gedanken wahr, die ihn erreichten. Er spürte die Berührungen an seinem Körper, den er von seiner Kleidung befreit hatte. Nur nackt fühlte er sich wohl und ausgeliefert.
Er sprach nicht, aber er schickte seine Gedanken der anderen Welt entgegen. Er wollte den Kontakt, und er wollte auch die Hilfe derjenigen, zu denen er hoch schaute und die ihn so verändert hatten. Er fühlte sich als Bote, der in dieser Welt für sie agierte.
Er schickte die Gedanken los.
Es ist ein Feind da! Ein mächtiger! Mir ist fast das Herz zersprungen. Ich bin noch nicht so weit, als dass ich ihn hätte töten können. Er ist stark. Er hat etwas bei sich, das ich nicht kenne. Vor dem ich aber Furcht haben muss…
Antworteten sie? Er hoffte es. Wenn nicht, dann fühlte er sich im Stich gelassen, und das wollte er auf keinen Fall. Er brauchte sie, er war noch nicht ganz fertig, und deshalb bat er sie so inständig um ihre Unterstützung.
Sie ließen ihn nicht im Stich. Er spürte es. Sie strichen über ihn hinweg.
Sie erfüllten seine Hütte mit ihrem Leben, mit ihrem Sein, und das musste auf ihn übergehen, sonst würde er die letzte Stufe nicht erklimmen können.
Er lag starr. Er hielt die Augen geschlossen. Er dachte nicht mehr. Er überließ sich seinen Freunden. Sie würden für ihn alles richten, und er fühlte sich so wohl, dass er die Zeit vergaß. Er schwebte irgendwo zwischen der Realität und der anderen Welt da draußen, einem Pandämonium, dem er sich als Mensch geweiht hatte.
Sie waren gekommen, und sie zogen sich auch wieder zurück. Es ging alles sehr langsam. Lambert spürte, dass die Berührungen an Intensität verloren. Er hielt seine Augen jetzt weit offen und schaute gegen die Decke, die wieder ihre normale Form annahm. Da war nichts mehr von geisterhaften Gestalten zu sehen, sie alle hatten sich wieder in ihre Zonen zurückgezogen.
Dennoch blieb er auf dem Boden liegen. Er musste seine Gedanken sammeln, und er spürte auch eine leichte Erschöpfung.
Aber sie hatten ihn nicht vergessen. Sie waren da, sie hatten ihn berührt und ihm die nötige Kraft gegeben, die ihn wieder ein Stück weitergebracht hatte.
Nach einer Weile richtete er sich auf. Dabei schwang er sich langsam in eine sitzende Position, wobei er den Blick angestrengt nach vorn richtete. Er fühlte sich wie neugeboren, und in seinem Innern brodelte es. Er bewegte sich zur Seite, streckte seinen rechten Arm aus, fuhr mit der Hand über den Boden und fand mit einem Griff, was er suchte.
Es waren die Zündhölzer.
Er lächelte vor sich hin. Vergessen war das Treffen mit diesem anderen.
Er war davon überzeugt, dass er sich vor ihm nicht mehr zu fürchten brauchte, denn die Begegnung mit seinen noch fernen Freunden hatte ihn gestärkt.
Der Reihe nach zündete er die Kerzen an. Sie bildeten um ihn herum einen Halbkreis, der nach vorn hin offen war. Die Flammen gaben genügend Licht, um auch die andere Wand zu erreichen.
Dort hing ein Spiegel.
Lambert schaute gern in ihn hinein. Er
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