1572 - Das Ritual
sagen, wie er aussah? Kannst du ihn beschreiben?«
»Nein, das kann ich nicht genau. Es ging alles sehr schnell. Ich weiß, dass er blonde Haare hat, zugleich aber ein ungewöhnliches Gesicht.«
»Wie denn?«
Ich runzelte die Stirn. »Das ist schwer zu sagen. Es war das Gesicht eines Mannes, aber zugleich das einer Frau. Das ist wirklich so. Und wenn ich mich nicht irre, befand sich das Gesicht in ständiger Bewegung. Das könnt ihr glauben oder nicht. Aber mir ist es so vorgekommen.«
Es war schwer für die beiden, mir dies zu glauben. Das sah ich an ihren Gesichtern.
»Tut mir leid, dass ich euch keine andere Antwort geben kann. Ich gehe davon aus, dass dieser Lambert ein besonderer Mensch ist, falls man ihn überhaupt als einen solchen bezeichnen kann.«
»Als was würdest du ihn denn sonst sehen?«, fragte Harry.
»Nicht als einen Übermenschen. Eher als eine Mischung aus - was weiß ich noch alles.«
»Sollen wir ihn als einen Dämon bezeichnen?«, fragte Dagmar und schaute mich an.
»Ja, so sehe ich das. Er ist ein Dämon in menschlicher Gestalt. Er ist jemand, der alles will. Perfekt sein, und er will andere Menschen in seine Gewalt bringen, damit sie den gleichen Weg gehen wie er. Ob das so stimmt, weiß ich nicht. Vorstellen könnte ich es mir schon.«
»Dann müssen wir ihn finden«, sagte Harry und fügte hinzu: »Das wohl kein Problem sein wird.«
Da stimmten Dagmar und ich zu. Ich dachte dabei an die Kellnerin, die Paul Köster kannte. Möglicherweise konnte sie uns weiterbringen.
Es war, als hätte sie meine Gedanken gelesen, denn sie kam auf unseren Tisch zu. In einer Hand hielt sie eine Zigarettenschachtel und ein schmales Feuerzeug, »Darf ich?«
»Gern.« Ich deutete auf einen freien Stuhl.
Sie nahm Platz und nickte. »So, ich habe jetzt eine Pause.« Sie zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch in die klare Luft. »Das war ja nicht schön, was Sie da erlebt haben, oder?«
Wir stimmten ihr zu.
»Ich verstehe Paul auch nicht.«
»Wieso?«, fragte ich.
»Ach, er wohnt in der Nachbarschaft. Er studiert in München und man konnte von ihm nichts Schlechtes sagen. Er war ein völlig normaler junger Mann.«
»Aber jetzt nicht mehr?«, fragte ich.
»Leider.« Sie drückte die Zigarette aus. »Leider muss ich euch da zustimmen. Er ist in einen schlechten Einfluss geraten.«
»Lambert?«, fragte ich.
»Ja.«
»Was wissen Sie über ihn?«
Monika schaute uns der Reihe nach an. »Nichts weiß ich über ihn, gar nichts. Er kommt nicht von hier. Er war plötzlich da, und ich habe auch nie ein Wort mir ihm gesprochen. Und doch habe ich ihn erleben können. Das war nicht gut.« Sie schüttelte den Kopf. »Das war gar nicht gut. Es ging um diese Aura, die ihn umgab. Sie war so völlig anders. Ich habe so etwas noch nie in meinem Leben gespürt. Ich kann sie auch nicht beschreiben. Allgemein würde ich sagen, dass sie mir unheimlich war. Ja, das muss ich zugeben. Wer vor diesem Menschen steht, der spürt so etwas, wenn er normal sensibel ist.«
»Können Sie uns auch sagen, wo wir ihn finden?«
Sie schnaufte durch die Nase. »Nein, das weiß ich beim besten Willen nicht«, erklärte sie dann. »Er ist überall und nirgends. Was er vorhat, weiß ich nicht, und ich glaube auch nicht, dass Paul der. Einzige ist, den er umgarnt hat. Da gibt es bestimmt noch einige andere. Der gibt sich doch nicht mit einem zufrieden. Nicht einer wie er.«
»Beweise haben Sie nicht?«
»Nein. Aber ich habe Angst um Paul Köster. Er hat sich so sehr zu seinem Nachteil verändert.«
»Haben Sie mal mit ihm darüber geredet?«, fragte Dagmar. »Sie kennen ihn sicherlich schon lange.«
»Und ob. Ich habe ihn aufwachsen sehen. Einige Male habe ich versucht, etwas von ihm zu erfahren. Leider biss ich auf Granit. Er sperrte sich.«
»Sprachen Sie denn mit seinen Eltern?«
»Nein, und das hätte auch keinen Sinn gehabt. Er und seine Eltern leben zwar zusammen in einem Haus, aber das ist auch schon alles. Ich habe schon seit langem den Eindruck, dass sie sich aus dem Weg gehen. So ist das eben in den Familien. Außerdem sind beide Kösters berufstätig. Er arbeitet als Vertreter in der Modebranche und ist viel unterwegs. Frau Köster lebt in ihrer eigenen Welt. Sie interessiert sich nur für ihre Puppen. Die sammelt und repariert sie auch. Da ist sie ziemlich bekannt, auch außerhalb des Sees.«
Sie hob die Schultern und stand zugleich auf. »So, meine Pause ist vorbei.«
Ich hob einen Arm. »Moment
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