1572 - Das Ritual
aufzutreiben, das war ein Problem. Dabei war er bekannt. Seinetwegen hatten sich drei junge Menschen das Leben genommen. Warum? Was gab es für einen Grund? Und wenn es ihn gab, dann musste dieser Lambert dahinterstecken. Er war der Anfang und auch das Ende.
»Drei«, sagte ich leise. »Schließt sich die Frage an, wie viele es noch werden.«
»Wenn wir so denken«, sagte Harry, »müsste der Kreis um Lambert größer sein.«
»Ja, Harry. Er ist wie ein Guru. Er hat Leute um sich geschart, die ihm blind folgen. Ich habe das an der Hecke erlebt. Da hat dieser Paul Köster vor ihm gekniet. Das ist doch nicht normal. Und jetzt ist er tot. Warum? Hat er es so gewollt oder unser geheimnisvoller Lambert? Wenn ja, warum schickt er seine Mitläufer in den Tod? Was hat er davon?«
»He, da preschst du weit vor«, sagte Harry.
»Ich spreche nur das aus, was mir durch den Kopf geht. Falsch ist das nicht, schätze ich.«
»Möglich. Dann ist Lambert so etwas wie ein dämonischer Guru, der hier seine Anhänger gefunden hat.«
»Genau. Und wenn wir einen Schritt weiter gehen, gelangen wir zu dem Ergebnis, dass es hier irgendwo einen Treffpunkt gibt, an dem sie sich zusammenfinden.«
So weit waren wir gekommen. Ab jetzt war das die Mauer, die wir aufbrechen mussten.
»Wer könnte uns weiterhelfen?«, fragte Dagmar.
Ich sagte: »Nicht der Kollege Stiegler.«
»An den habe ich auch nicht gedacht. Man müsste mit Leuten zusammenkommen, die Paul Köster gut gekannt haben. Er war ein junger Mensch, und ich gehe mal davon aus, dass er eine Freundin oder einen Freund gehabt hat, dem er sich anvertraute.«
»Da bleibt nur eine Person«, sagte ich. »Monika.«
»Wer ist das?«, fragte Dagmar.
»Unsere Kellnerin im Biergarten. Sie wohnt hier in einem der Nebenhäuser.«
»Okay, fragen wir sie.«
Es war für uns der einzige Hoffnungsschimmer. Und so verließen wir unter den misstrauischen Blicken des Kollegen Stiegler den Garten, um uns auf die Suche nach dem geheimnisvollen Lambert zu machen…
Lambert war in seiner Höhle geblieben. Aber er hatte deutlich die gewisse Unruhe in sich gespürt, und das gefiel ihm nicht. Er mochte es nicht, wenn er seine Sicherheit verlor, und das bezog er nicht auf den Blonden, sondern auf seinen Jünger Paul Köster.
Es hatte ihm gar nicht gefallen, dass er von dem Blonden in den Biergarten mitgenommen worden war.
Paul war ein schwaches Glied in der Kette. Er war nicht in der Lage, Druck auszuhalten. Auch wenn er es nicht bewusst wollte, er würde sich irgendwann verraten. Durch ein dummes Wort, durch einen lässig dahin gesprochenen Nebensatz. Das konnte Lambert auf keinen Fall dulden.
Er wollte auf seinem Weg in die absolute Vollkommenheit durch nichts gestört werden.
Es musste etwas unternommen werden!
Der Mensch mit den weichen und zugleich harten Gesichtszügen schaute wieder in den Spiegel und strich dabei mit beiden Händen über die Fläche hinweg.
Ja, da war etwas zu spüren. Der Spiegel hielt die andere Seite gefangen.
Sein Pandämonium, aus dem er die große Kraft schöpfte, um so zu werden, wie er es sich vorgestellt hatte.
Vollkommen.
Ein ER, eine Sie, ein ES.
Und wer dabei nicht in der Spur blieb, der musste beseitigt werden. Kein Risiko. Was zählte schon ein Menschenleben im Vergleich zu seiner Vollkommenheit?
Er trat wieder zurück in den Kreis, setzte sich auf den Boden und breitete die Arme aus.
Er war auf dem Weg zur Perfektion, und all seine Freunde aus der anderen Welt würden ihn unterstützen.
Zweimal hatte er bereits seine Diener vernichten müssen, weil sie nicht so wollten wie er. Und jetzt bereitete er sich darauf vor, einen dritten Jünger in den Tod zu schicken. Alle gehörten ihm. Er hatte es geschafft, sie in seine Aura zu bringen. Er konnte mit ihnen Kontakt aufnehmen, ohne sie vor sich sitzen zu haben.
Wieder nickte er dem Spiegel zu und versank in einer Trance. Hin und wieder zuckte sein nackter Körper, dann sah es wieder aus, als würde er erschlaffen.
Wieder umgaben ihn die Stimmen. Er hörte sie in seinen Ohren brausen.
Es waren seine Schutzengel, seine Schutzgeister, die aus den Tiefen der anderen Welten kamen, sich an seine Seite stellten und ihm auch die Kraft gaben, Leben zu zerstören.
So wie jetzt!
Der andere sollte nichts verraten können.
Er gehörte nicht mehr zu ihm. Er würde ihm keine Kraft mehr geben. Dafür mussten dann die anderen einspringen, und das würde auch klappen.
Er wünschte ihm den Tod. Seine Gedanken
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