1572 - Das Ritual
Druck bekommen und habe nicht die kleinste Spur.«
»Überhaupt keine?«, fragte Harry.
»Nun ja, so ganz stimmt das nicht. Wir haben herausgefunden, dass die ersten beiden Toten und auch Paul Köster einander kannten. Aber das ist nichts Ungewöhnliches. Hier kennt sowieso jeder jeden, wenn er einheimisch ist. Das sehe ich nicht gerade als Spur an.«
»Gab es Gemeinsamkeiten?«, wollte ich wissen. »Waren sie Mitglieder im selben Verein oder so?«
»Weiß ich nicht. Ist aber möglich. Dann müsste es sich um eine Geheimgesellschaft handeln.« Er räusperte sich. »Was sogar wahrscheinlich ist, denn wir haben bei den Toten - nicht am Körper, sondern in deren Wohnungen - die gleichen Hinweise gefunden.«
»Welche?«
»Eigentlich nur einen Namen. Lambert.« Stiegler schaute uns aus leicht zusammengekniffenen Augen an. »Sagt Ihnen der Name etwas, obwohl Sie hier fremd sind?«
Ich schüttelte den Kopf und hatte mit dieser Geste einen Hinweis für Dagmar und Harry gegeben.
»Und Sie beide?«
Dagmar lächelte knapp. »Auch nicht.«
»Das hatte ich mir gedacht. Lambert - ein seltener Name. Aber keiner will ihn kennen. Für mich ist er so etwas wie ein Phantom, das trotzdem verdammt real ist.«
Ich hätte ihn aufklären können. Das ließ ich bleiben. Wäre dieser Lambert ein normaler Mensch gewesen, hätte es anders ausgesehen.
So aber lagen die Dinge in einem Bereich, in den sich jemand wie Stiegler nur schwer hineindenken konnte.
»Wissen Sie denn noch etwas über ihn?«, fragte ich.
»Nein, Herr Sinclair. Keine Spur. Selbst im Internet nicht, aber da hinterlässt man ja keine Spuren, wenn man schlau genug ist.« Er schloss für einen Moment die Augen. »Und so etwas passiert hier am Tegernsee. Ich fasse es noch immer nicht.«
»Das Verbrechen nimmt keine Rücksicht auf Touristenorte«, sagte Harry Stahl, der von Stiegler scharf fixiert wurde, sodass er fragte: »Habe ich etwas an mir?«
»Nein, Herr Stahl. Es ist nur, dass ich Ihnen eine wichtige Frage noch nicht gestellt habe.«
»Aha. Und die lautet?«
»Was hat Sie eigentlich hierher an diesen Ort getrieben? Das war doch kein Zufall. In welch einem Verhältnis standen Sie zu dem Toten? Was hatten Sie mit ihm zu tun?«
Auf diese Frage hatte ich gewartet, meine beiden Freunde natürlich ebenfalls.
»Er ist uns aufgefallen«, sagte ich.
»Inwiefern?«
»Durch sein Benehmen. Er war durcheinander. Wir trafen ihn in einem Biergarten. Er blutete an der Stirn. Wir haben uns etwas um ihn gekümmert.«
»Und weiter?«
»Nichts weiter. Er ist dann gegangen, und jetzt wollten wir nachschauen, was mit ihm los ist.«
Franz Stiegler schaute uns an. Es waren keine freundlichen Blicke, mit denen er uns bedachte. »Wissen Sie, was komisch ist?«
Ich schüttelte den Kopf. »Sie werden es uns sagen.«
»Klar. Ich glaube Ihnen nämlich kein Wort.«
»Warum nicht?«
Er lachte. »Drei Polizisten oder so etwas Ähnliches. Daran kann man doch riechen.«
»Auch Polizisten machen Urlaub«, sagte Harry.
»Und stolpern über einen jungen Mann, der sich plötzlich umbringt, aus welchen Gründen auch immer.«
»So ist das«, sagte ich.
»Sie wissen mehr!«
»Als Fremde?«
»Sicher. Einmal Bulle, immer Bulle. Das gilt auch für den Urlaub. Ich kenne das.«
»Dann darf man Ihnen ja gratulieren.«
Stiegler holte tief Luft. »Eines sage ich Ihnen und will ich hier mal klarstellen. Pfuschen Sie mir nur nicht ins Handwerk. Das hier ist mein Revier. Gehen Sie wieder zurück in Ihr Hotel oder Ferienhaus, aber lassen Sie mich meine Arbeit machen.«
»Werden wir, Kollege«, sagte Harry. Er schrieb ihm sogar noch auf, wo wir zu erreichen waren. »Können wir jetzt gehen?«
»Am liebsten für immer.«
Harry lachte. »Keine Sorge, wir werden Ihnen den Fall schon nicht abnehmen. Sie sind der Chef, und das bleiben Sie auch. Können wir uns darauf einigen?«
Stiegler sagte nichts. Er winkte nur hastig ab, drehte sich um und ging davon.
»Der ist sauer«, meinte Harry.
Ich stand dem Oberkommissar bei. »Verständlich. Versetz dich mal in seine Lage. Er hat Angst davor, dass man hier herumschnüffelt. Das Zusammentreffen war auch sehr seltsam.«
Dagmar klatschte in die Hände. »Konzentrieren wir uns auf den Namen Lambert. Er ist es, den wir suchen müssen. Und da frage ich mich, wo wir anfangen sollen.«
Wir hatten alles, nur keine Idee. Wir wussten, dass es hier in der Nähe einen Menschen gab, der Lambert hieß und den ich sogar schon gesehen hatte. Ihn aber
Weitere Kostenlose Bücher