1572 - Das Ritual
Licht auf. »Moment mal.« Ihre Augen blitzten plötzlich. »Das hört sich nach Polizei an.«
»Ich kann es nicht leugnen.«
Sie blies ihren Atem über die Tischdecke, während ich für uns Getränke bestellte. Diesmal ohne Alkohol.
»Dann kann ich verstehen, dass Sie den Alten rumgekriegt haben.«
Um es ganz formell zu machen, stellten wir uns der Bedienung vor. Wir erfuhren, dass sie mit vollem Namen Monika Fuhrmann hieß und hier schon seit einigen Jahren tätig war.
»Und weshalb wollen Sie mit mir sprechen?«
Es wurde plötzlich ernst, was auch Frau Fuhrmann merkte. Sie ließ ihre Blicke schweifen und fragte mit leiser Stimme: »Ist etwas passiert?«
Dagmar nickte. »Ja, es ist etwas passiert.«
»Und was?«
»Paul Köster ist tot!«
Monika Fuhrmann zuckte zusammen und duckte sich sogar leicht.
»Nein!«, flüsterte sie dann.
»Es ist leider die Wahrheit.«
»Mein Gott!« Sie legte beide Hände vor ihre Lippen und schloss die Augen. Als sie sie wieder öffnete, schimmerten Tränen darin, und sie wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte.
Ich hielt es für besser, sie erst einmal in Ruhe zu lassen und zu warten, bis sie sich wieder gefangen hatte. Mit einem Taschentuch wischte sie die Augen trocken, dann zog sie die Nase hoch und fragte: »Und wie ist er gestorben? War es ein Unfall?«
»Indirekt.«
»Bitte, das verstehe ich nicht.«
»Er brachte sich selbst um.«
Wieder verschlug es ihr die Sprache. Sie merkte kaum, dass ihre Kollegin die Gläser mit der bestellten Apfelschorle auf den Tisch stellte.
Sie schüttelte nur immer wieder den Kopf.
»Warum hat er das getan?«
»Das ist die Frage, die wir gern klären würden, Frau Fuhrmann. Wir müssen den Grund herausfinden, und wir glauben, dass Sie uns dabei helfen können.«
»Ich?«
»Ja.«
Sie lachte kurz auf. »Nein, das kann ich nicht. Das ist unmöglich. Wieso sollte ich den Grund kennen?«
»Sie kannten Paul«, sagte ich.
»Ja, das ist auch alles. Ich kenne viele Leute, aber…«
Ich gab nicht auf. »Sie waren Nachbarn. Ich denke, dass das Zusammenleben in einer engen Nachbarschaft wie in Ihrer Straße anders ist als in einem anonymen Hochhaus.«
»Das ist wohl wahr.«
»Und Sie haben ihn aufwachsen sehen.«
Monika Fuhrmann trank von ihrer Schorle und senkte den Blick.
»Es ist alles so schrecklich. Ich - ich - bin so durcheinander, verstehen Sie? Das kann ich alles nicht begreifen.«
»Das glauben wir Ihnen«, sagte Harry Stahl. »Aber wissen Sie nicht, mit wem er Kontakt gehabt hat? Wer seine Freunde waren? Ist Ihnen da nichts bekannt?«
»Nein.«
»Und eine Freundin?«, fragte ich. Da lehnte sie sich zurück. Ihr Verhalten änderte sich, als hätten wir einen bestimmten Punkt getroffen.
»Ich glaube, da hat es jemanden gegeben. Eva Obermaier.«
»Na bitte.«
»Aber das ist vorbei, Herr Stahl. Das war einmal. Ich denke nicht, dass Eva sich gern an ihn erinnert.«
»Warum nicht?«
Sie winkte ab. »Da hat es oft Krach gegeben. Das habe ich mitbekommen. Die beiden müssen dann irgendwann auseinander gegangen sein.«
»Aber diese Eva Obermaier gibt es noch?«
»Klar.«
»Wo?«
»Hier in Rottach, Herr Stahl. Sie arbeitet in einer Parfümerie an der Hauptstraße. Da werden Sie sie finden.«
»Haben Sie denn Kontakt mit ihr?«
»Ja und nein. Man sieht sich, sagt grüß Gott, und das ist es dann auch schon.«
Ich fragte: »Können Sie sich denn vorstellen, dass diese Eva Obermaier mehr über den Mann namens Lambert weiß?«
»Möglich.«
»Und was wissen Sie über ihn?«
»Nichts weiter, Herr Sinclair. Ich, weiß nur, dass er ein Widerling ist. Aber wenn Sie mich nach seinem Wohnort fragen, dann muss ich leider passen. Ich habe keine Ahnung ob er von hier ist. Ich kenne ihn nur vom Ansehen und weiß, dass er sich mit einigen Leuten getroffen hat, wobei es nur Männer gewesen sind, die dann, wenn sie mal hier zusammen saßen, wie gebannt an seinen Lippen hingen.«
So etwas Ähnliches hatte ich mir gedacht. Das klang sehr nach einem Guru oder einer Person, die Macht über andere Menschen besaß.
Monika Fuhrmann wirkte ein wenig betrübt, als sie sah, dass wir nichts mehr sagten.
»Tut mir echt leid, aber ich kann Ihnen nicht weiterhelfen. Das ist nun mal so.«
Harry Stahl schüttelte den Kopf. »Unsinn«, sagte er. »Machen Sie sich deswegen mal keine Sorgen. Sie haben uns genug geholfen. Diesen blonden Widerling bekommen wir schon noch zufassen.«
»Besuchen Sie doch mal Pauls ehemalige Freundin in der
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