1572 - Das Ritual
Frauen…«
***
»Geh weiter, du komischer Zwitter. Keine Pause einlegen.«
Lambert war stehen geblieben. Er drehte sich sogar um. »Der Zwitter wird dir noch zeigen, wo es langgeht.«
»Klar, auf der Kugel. Da werde ich schon mal deinen Namen einritzen. Los, ich will endlich sehen, wie jemand reagiert, der fast vollkommen ist. Dabei habe ich immer gedacht, dass nur ich das bin.« Er lachte hämisch. Lambert gab keine Antwort. Er hatte sich auch längst wieder umgedreht, damit der Killer nicht den freudigen Ausdruck auf seinem Gesicht sah.
Das Wasser hatten sie noch nicht erreicht, dafür aber fast das Ufer mit dem Schilfgürtel.
Lambert setzte seinen Weg fort. Es störte ihn nicht, dass er nichts am Leib trug. Wer auf dem Weg zur Vollkommenheit war, der konnte auf Kleidung gut und gern verzichten.
Und er freute sich auf die nahe Zukunft. Dass er der Verlierer sein würde, dieser Gedanke kam ihm erst gar nicht. Er besaß die Kräfte, und er würde es dem anderen schon zeigen. Sterben musste er. Überleben konnte nur der Vollkommene, und das war er.
Es gab nur dieses eine Wort, das ihm durch den Kopf ging. Es war so einmalig, und als er seinen rechten Fuß zuerst ins Wasser setzte, da durchströmte ihn noch mal die Kraft.
Über die Schulter hinweg fragte er: »Soll ich weitergehen?«
»Aber immer doch.«
Gallo sah nicht das Lächeln auf dem Gesicht des Nackten. Hätte er es gesehen, er wäre vielleicht nachdenklich geworden. So aber war er zu stark in seinen eigenen Gedanken gefangen. Seine bisherigen Jobs dieser Art hatte er bisher alle durch eine Kugel gelöst. Diesmal war es anders. Da ging jemand freiwillig in den See, ohne an die Gefahren zu denken. Und er war dann eben ertrunken. Sein persönliches Pech.
Lambert hatte den normalen Weg genommen. Schon bald umspielte das Wasser seine Hüften. Der Wind hatte ein wenig zugenommen. Er bewegte das Wasser ebenso wie den kleinen Wald aus Schilfrohren, die leicht von einer Seite zur anderen schwankten. »Geh weiter!«
»Ja, ja, keine Sorge. Es wird alles so geschehen, wie du es gewollt hast.«
»Das will ich dir auch geraten haben.«
»Ich wollte dir nur noch sagen, dass ich gleich abrutschen werde. Es geht hier plötzlich steil hinab.«
»Kannst du ruhig. Ich will nur, dass ich dich im Auge behalte, das ist alles.«
Lambert kannte sich aus. Er wusste genau, wie er seinen Part durchziehen würde, und er war sicher, dass er den Killer hinter sich damit überraschen würde.
Noch ein Schritt.
Plötzlich reichte ihm das Wasser bis zur Brust, und nach dem nächsten Schritt berührte es sein Kinn.
Der nächste Meter würde es bringen. Er wollte Gallo zuvor warnen und hob einen Arm.
»Achtung, ich bin gleich weg.«
»Na hoffentlich.«
Lambert streckte das rechte Bein aus und ließ sich vorrutschen.
Im nächsten Augenblick schlug das Wasser des Sees über ihm zusammen.
Sein erstes Ziel war erreicht…
***
Der Nackte ließ sich langsam in die Tiefe gleiten. Er zog dabei die Schultern nach vorn und wusste, genau, dass er beobachtet wurde, denn das Wasser war hier zwar eingefärbt durch allerlei Pflanzen, aber noch recht durchsichtig.
Deshalb wusste er auch, dass er von dem Mann mit der Pistole genau beobachtet wurde. Bevor er mit seinem Hinterteil den Boden berührte, rutschte er auf der schlammigen Fläche, die leicht abschüssig war, nach vorn und glitt immer tiefer in das Wasser.
Und dann tat er etwas, um dem Killer zu zeigen, wie vollkommen man sein konnte. Auf der Stelle drehte er sich um und achtete darauf, nicht zu viel von dem Schlamm aufzuwirbeln, um die Sicht nicht zu sehr zu trüben. Er legte seinen Kopf leicht zurück, hielt Mund und Augen dabei offen. Nicht er wollte sehen, er wollte gesehen werden, und zwar jedes Detail sollte Gallo mitbekommen.
Er sah ihn.
Für Lambert war der Killer eine verschwommene Gestalt, die über ihm schwebte. Das war eine Folge der Lichtbrechungen des Wassers, und wenn Gallo sich bewegte, sah dies für den Nackten verzerrt aus, als wollte er sich auflösen.
Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, seit er ins Wasser gestiegen war. Es spielte für ihn auch keine Rolle. Er saß im Wasser, hielt den Mund offen, hätte eigentlich nicht atmen dürfen und ertrank trotzdem nicht. Das war das Phänomen. Das musste auch Gallo sehen, der sich nicht von der Stelle gerührt hatte und nach unten glotzte, als könnte er mit seinen Blicken die Wasserfläche zerteilen.
Lambert wartete ab.
Er hätte stundenlang auf der
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