1573 - Grauen im Geisterschloss
gefährlich sein.«
»Danke.«
Wir waren beide auf der Hut, als wir uns dem Hintereingang näherten.
Ich warf einen Blick in den Flur, aber ich sah nichts Verdächtiges und auch nichts, was uns weitergebracht hätte.
War das Haus leer?
Genau das wollte ich nicht glauben. Die Ruhe kam mir unnatürlich vor, und als ich mein Kreuz berührte, da war wieder die Wärme zu spüren.
Ich hielt mich dicht an der Wand. Jenny blieb hinter mir. Sie hatte ihre Pistole gezogen und hielt sie mit beiden Händen. So war sie in der Lage, schnell zu handeln, wenn es sein musste.
Eine Treppe führte nach oben. Wir blieben zunächst in der unteren Etage, und erst als wir sicher waren, dass keine Gefahr in der Nähe lauerte, entspannten wir uns.
»Die Tür war offen, John. Ich kann mir vorstellen, dass der Arzt und seine Schwester die Flucht ergriffen haben.«
»Und vor wem?«
»Keine Ahnung. Vielleicht vor dem Schänder?«
Ich fasste Mut und rief nach der Schwester und dem Arzt. Wir bekamen von ihnen keine Antwort, aber wir hörten über uns am Ende der Treppe ein Geräusch.
»Da ist doch jemand«, flüsterte Jenny.
»Das Gefühl habe ich auch. Bleib du hier unten. Ich schaue oben nach.«
»Gut.«
Die Stufen der Treppe wurden nicht eben von einer Lichtfülle erhellt.
Man konnte sie erkennen, aber das war auch alles. Dementsprechend vorsichtig bewegte ich mich nach oben.
Das Geräusch hatte sich nicht wiederholt, aber ich glaubte nicht, dass wir einer Täuschung erlegen waren.
Am Ende der Treppe sah ich nichts. Es war möglich, dass sich hier die Wohnräume des Arztes befanden. Das würde ich noch herausfinden.
Nach der letzten Stufe drehte ich mich nach links, um tiefer in den Gang hineinzugehen, als ich plötzlich stoppte. Auch wenn kein Licht brannte, konnte ich bis zum Ende sehen.
Dort zeichnete sich eine Gestalt in einer Haltung ab, als hätte sie nur auf mich gelauert.
Nur war es weder der Arzt noch die Krankenschwester. Es war eine für mich völlig fremde Person, die ich mir unbedingt näher ansehen wollte.
Und deshalb schaltete ich das Licht ein.
Es wurde nicht strahlend hell. Die drei Kugeln unter der Decke gaben ein nur mäßiges Licht ab, aber es reichte für mich aus, um die Gestalt zu erkennen. Es war ebenfalls ein Krieger. Auch er war nicht gepanzert, aber er war mit Pfeil und Bogen bewaffnet und trug grüne Tarnkleidung, wie man es von Schützen aus dem Wald her kennt.
Er sah mich.
Ich sah ihn.
Und dann schoss er den Pfeil auf mich!
***
Jenny Holland war bis zur Treppe vorgelaufen und hatte John Sinclairs Weg so weit verfolgt wie möglich.
Da sie davon ausging, dass die Luft hier unten rein war, wollte sie sich ein wenig umschauen. Auch in dem Zimmer, in dem ihr Vater gestorben war. Es war der Ort einer brutalen Bluttat, und eigentlich begriff sie noch immer nicht, dass ihr Vater nicht mehr lebte.
Sie war versessen darauf, seinen Mörder zu finden. Sie wollte ihn vor ihre Mündung bekommen. Sie wollte seinen Schädel zu einem ebenfalls blutigen Klumpen zerschießen, aber sie wusste nicht, wer der brutale Mörder war. Er hatte mit einer Waffe zugeschlagen, die es heute nur noch im Museum gab. Eine Art Morgenstern, eine Kugel, die mit Eisenspitzen versehen war.
Die Agentin wusste, wohin sie gehen musste. Kurz vor Erreichen der Tür stoppte sie und schaute noch mal zurück.
Da war niemand.
Von John Sinclair hörte sie auch nichts, und deshalb drückte sie die Tür auf.
Es geschah geräuschlos, was ihr entgegen kam. Die Jalousie vor dem Fenster war hochgezogen, sodass genügend Licht ins Zimmer fiel. Von der Tür aus machte sie einen Schritt nach vorn und warf einen Blick nach links. Es geschah nicht mal bewusst, es war einfach aus einem Reflex heraus geschehen.
Da stand die Gestalt an der Wand!
Damit hatte sie nicht gerechnet, und Jenny unterdrückte nur mühsam einen Schrei. Allerdings richtete sie ihre Waffe nach vorn. Zugleich schoss ihr der Grund für die Leere des Hauses durch den Kopf.
Dr. Morton und Hilda Rowland hatten Angst vor dem Eindringling gehabt und waren im letzten Moment geflüchtet.
Aber noch ein anderes Gefühl stieg in ihr hoch. Nein, es war nicht nur ein Gefühl, sondern mehr ein Wissen. Und das verstärkte sich noch, als sie die Waffe sah, die der Eindringling bei sich trug.
Es war die Eisenkugel mit den Spitzen. Nur kein richtiger Morgenstern, denn die schwere Kugel war an einem breiten Holzgriff befestigt.
Sie wusste jetzt, mit wem sie es zu tun hatte. Die
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