1574 - Töte mich, dunkler Spiegel
annimmt.«
»Das wird er schon. Mach dir darüber keine Gedanken. Ich bin gespannt auf dein Jenseits.« Ich hob die Schultern. »Noch nie zuvor habe ich die Nahtoderfahrung gemacht. Man bekommt ganz andere Dinge zu sehen. Auch ich möchte diese Wunder erleben…«
Sie gab mir keine Antwort mehr. Ihr Zustand hatte sich abermals verändert. Zwar waren die grünen Augen geblieben, nur hatte sie den Blick jetzt mehr nach innen gerichtet.
Ich wusste nicht, wie lange dieser nachdenkliche Zustand andauern würde. Ich hoffte, dass es noch Minuten so weiterging, und stand langsam von meinem Stuhl auf.
Lena kümmerte sich nicht um mich. An der Tür warf ich noch einen Blick zurück.
Ich konnte zufrieden sein, denn sie hatte ihren Platz auf dem Bett nicht verlassen. So schlich ich mich aus dem Zimmer und trat in den kleinen Flur, wo Grace Wilcox auf mich wartete.
»Wie geht es Lena?«, flüsterte sie mir zu. »Bitte, Mr. Sinclair, sagen Sie was. Ist es schlimm?«
»Nein, im Prinzip nicht. Sie müssen sich keine Sorgen machen.«
»Aber…«
»Ihre Tochter hat etwas erlebt, das zu einer Veränderung bei ihr führte. Sie war an einem bestimmten Ort, zu dem sie jetzt wieder zurückgehen will.«
Mrs. Wilcox erschrak bis ins Mark. »Was? Ich…«
»Bitte, Sie müssen sich wirklich keine Gedanken darüber machen. Es wird alles in Ordnung kommen, denn ich werde Lena begleiten.«
»Wie?«
»Lena akzeptiert mich. Sie möchte nicht allein sein, was gut ist. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Ich muss noch telefonieren.«
Ich wollte noch eine zweite Person mit ins Boot nehmen. Das war natürlich Suko. Wenn ich daran dachte, dass mein Kreuz in Aibon wirkungslos war, dann hatte ich zumindest jemanden an meiner Seite, der noch andere Waffen bei sich trug. Dass es eine Zeit war, an der man niemanden anrufen sollte, war mir in diesem Fall egal, zumal ich wusste, dass Suko böse gewesen wäre, hätte ich es nicht getan.
Um zu telefonieren, ging ich vor die Wohnungstür.
Sukos Stimme klang verschlafen. Als er mich jedoch hörte, war er hellwach.
»Was gibt es? Wo bist du?«
»Noch hier im Haus.«
Er schaltete schnell. »Bei Mrs. Wilcox?«
»Ja, und bei ihrer Tochter. Ich kann dir nur wenig sagen. Es geht um Aibon. Schwing dich bitte in deine Klamotten warte in der Tiefgarage auf mich.«
»Hast du eine Autofahrt vor?«
»Genau das. Ich kenne das Ziel noch nicht, aber ich habe Lenas Vertrauen gewonnen, und nur das zählt in diesem Moment. Alles Weitere werden wir noch erleben.«
»Gut, bis gleich.«
Ich war froh, mich auf Suko verlassen zu können. Viele Fragen stellte er nicht. Wenn Not am Mann war, dann handelte er.
Ich ging zurück in die Wohnung. Grace Wilcox stand noch immer im schmalen Flur. Nur war sie nicht mehr allein, denn ihre Tochter hatte ihr Zimmer verlassen und stand vor ihr.
Es gab nur etwas, was Mrs. Wilcox tat. Sie starrte in die so veränderten Augen der jungen Frau und war nicht in der Lage, etwas zu sagen.
Aber auch Lena sagte kein Wort. Sie wartete auf mich, sah mich dann, schob ihre Mutter zur Seite und kam auf mich zu.
»Aber ich…« Mrs. Wilcox konnte es nicht begreifen. Sie streckte ihre Arme aus, als wollte sie ihre Tochter festhalten und daran hindern, mit mir zu gehen.
»Keine Sorge«, beruhigte ich sie. »Ich werde Ihnen Ihre Töchter gesund zurückbringen.«
»Bitte, tun Sie das!«, flehte sie.
Das Grün in Lenas Augen blieb bestehen. Ohne ein Wort zu sagen kam sie auf mich zu und ging durch die Tür, die ich ihr geöffnet hatte. Ich folgte ihr und hörte sie fragen: »Wie sollen wir fahren? Ich bin mit meinem Fahrrad hingefahren.«
»Keine Sorge, wir nehmen mein Auto. Es steht in der Tiefgarage. Wir müssen nur kurz nach unten fahren.«
»Ja.«
Ich war heilfroh, dass Lena keine Probleme machte und ich immer noch ihr Vertrauen besaß. Wobei ich hoffte, dass dies auch so blieb, wenn sie Suko sah.
Im Lift lehnte sie mit geschlossenen Augen rücklings an der Wand. Sie hielt auch den Mund geschlossen und sagte kein einziges Wort. Erst als die Kabine hielt, öffnete sie die Augen wieder, und ich sah erneut die grünen Pupillen.
Mein Freund Suko gehörte zu den Menschen, die, wenn es darauf ankam, sehr schnell sein konnten. Ich ging davon aus, dass er bereits am oder im Wagen wartete.
So war es auch.
Er saß schon hinter dem Lenkrad, hatte uns im Spiegel kommen sehen und stieg aus.
Nicht nur ich sah ihn, auch Lena Wilcox. Sie hatte damit nicht gerechnet und stoppte abrupt.
»Du
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