1574 - Töte mich, dunkler Spiegel
blieb hinter ihnen und freute sich über seine Macht, die er durch den Besuch in der anderen Welt erhalten hatte.
Auch er hatte sich das Jenseits nicht so vorgestellt. Alle Beschreibungen, die von Menschen stammten, die eine Nahtoderfahrung erlebt hatten, waren praktisch über den Haufen geworfen worden.
Dass es sich um eine andere Welt als das Jenseits handeln könnte, der Gedanke kam ihm gar nicht erst.
Und so schritten sie auf den Schuppen zu, dessen Tür nicht abgeschlossen war. Die Luft hatte sich etwas verändert. Es war kühler geworden und roch nach Regen.
Kurz vor dem Eingang überholte Kid die beiden und hielt ihnen die Tür auf.
»Bitte einzutreten, die Herrschaften«, sagte er mit schleimiger Stimme, ohne eine Reaktion zu ernten.
Susan und Percy gingen in den Schuppen hinein, in dem alles so aussah wie sonst. Der Tisch mit den Getränken darauf, die Stühle an den beiden Seiten und natürlich der schiefe Spiegel, der als dunkle Fläche wie ein Hindernis vor ihnen stand. Der Vorhang war nicht wieder davor gezogen worden.
Ein paar Schritte vor dem Spiegel blieben Susan und Percy stehen.
Auch Kid hielt an. Er stand dicht hinter ihnen und legte ihnen jeweils eine Hand auf die Schulter.
»Na, wieder daheim?«
Sie nickten.
»Er wartet auf euch und auf mich. Er will euch das große Jenseits zeigen. Er will euch mit dessen Kraft füllen. Ihr werdet so sein, wie ich es bin.«
»Und was ist mit Lena?«, fragte Susan.
»Sie gehört bereits zu uns. Auch sie hat das Jenseits gesehen, und es hat bei ihr seine Zeichen hinterlassen. Also wird es Zeit für euch, dass ihr die Gruppe komplett macht.«
»Ja…«
Wieder eine Antwort von zwei Personen, wobei eigentlich keiner von ihnen etwas mit dieser dunklen Fläche anfangen konnte. Sie zeigte keine Veränderung von außen, und es war auch innerhalb des Spiegels nichts zu sehen.
»Wartet«, sagte Kid Langster mit leiser Stimme. »Ich werde euch den Weg öffnen.«
Er war von sich sehr überzeugt und setzte sein Vorhaben augenblicklich in die Tat um. Er musste nur drei Schritte gehen, um dicht vor der unebenen Fläche stehen zu bleiben.
Wie ein Zauberer breitete er seine Arme aus, spreizte die Finger und legte sie gegen die glatte Fläche. Kid spürte das leichte Vibrieren an seinen Handflächen, das ihm wie eine Botschaft vorkam, die er gern in sich aufnahm, denn er wusste, dass dies erst der Anfang war.
Und er hatte recht. Es tat sich etwas. Ob direkt auf der Oberfläche oder im Innern des Spiegels, das war nicht genau zu bestimmen. Aber es gab das Licht, diesen weißen Schein, der an einen Scheinwerfer erinnerte, der in der Unendlichkeit aufgebaut worden war und nun sein bleiches Totenlicht abgab.
Wenig später wurde es an verschiedenen Stellen hell. Kleine Feuer ließen ihre Flammenzungen tanzen und schufen wieder diesen düsteren unheimlichen Eindruck, dem sich auch Susan und Percy nicht entziehen konnten.
Sie standen immer noch im Bann von Kids grünen Augen, und das, obwohl er sie nicht direkt anschaute.
»Ihr könnt noch nicht gehen«, flüsterte er ihnen zu. »Ihr müsst abwarten, bis man euch holt.«
»Kommt er denn?«, fragte Percy leise.
»Bestimmt. Er will ja, dass wir in seine Welt gelangen.«
»Und wie heißt er? Hat er einen Namen?«
»Ich weiß es nicht.«
»Ist er der Tod?«
Kid amüsierte sich über diese Frage. »Bin ich denn tot?«, raunte er leicht höhnisch.
»Nein.«
»Eben. Ihr werdet auch nicht tot sein. Aber dieses Jenseits eröffnet euch Blicke, die andere Menschen nicht haben. Ihr werdet ein Erbe erhalten, das ihr auch in meinen Augen seht. Die Welt kann dann erkennen, dass ihr etwas Besonderes seid. Dieser Spiegel hier ist das große Jenseitswunder. Vergesst alles, was ihr bisher darüber gehört habt. Nichts ist mit ihm vergleichbar.«
»Oder ist das nicht der Platz für die Seelen der Toten?«, fragte Percy King. »Vielleicht haben wir uns alle geirrt.«
»Nein, nein, nein!« Die drei Worte kreischte Kid Langster hervor. »So ist das nicht, verflucht.« Durch die Art seiner Antwort zeigte er zugleich seine eigene Unsicherheit an, aber das war sofort wieder vergessen, als sich innerhalb des schief zusammengebauten Spiegels plötzlich eine Gestalt zeigte, die von irgendwoher kam und auf einmal vorhanden war.
Niemand hatte sie zuvor gesehen, und Susan Wild kommentierte es mit einem geflüsterten Satz.
»Da ist er ja…«
Langster lachte. »Ja, er ist da. Er hat uns gespürt. Und er hat uns nicht im Stich
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