1578 - Hass der Verlorenen
auch nicht bekämpft werden. Genau das war ihr Problem.
Wer kann mir helfen?
Natürlich dachte sie an John Sinclair und Suko. Sich zu bücken und das Handy aufzuheben, traute sich Glenda nicht, war allerdings jetzt froh, dass ihr noch ein normales Telefon zur Verfügung stand.
Plötzlich hatte sie ein Ziel. Den Quälgeist hatte sie aus ihrem Wohnzimmer in den kleinen Flur verbannt. Es war normalerweise kein Problem, ihn zu erreichen. Da reichten wenige Schritte aus. In diesem Fall sah alles anders aus. Jedes Auftreten sorgte bei ihr im Kopf für einen erneuten Schmerzstoß. Sie musste warten, sich etwas ausruhen und Kraft schöpfen.
In der Nähe stand der Sessel. Sie musste nur einen Schritt nach hinten treten und sich einfach setzen. Es war so leicht, und als sie es tat, da funkte es wieder in ihrem Kopf. Sie glaubte, dass die Schmerzen zu einem lauten Geschrei wurden. Bisher hatte sie die Umgebung noch klar gesehen, was nun vorbei war, denn vor ihren Augen entstand ein Schleier, und im Kopf hörte sie das schrille Schreien der Stimmen.
Rudel von Geistern mussten sich dort eingenistet haben. Sie glaubte auch Stimmen zu hören, die Worte formulierten. Was sie allerdings sagten, verstand sie nicht.
Glenda blieb trotzdem sitzen. Die Arme hielt sie angewinkelt und hatte sie auf die Sessellehnen gelegt. Wenn sie ausatmete, hörte sie ein Pfeifen, und sie glaubte immer mehr, nicht mehr sie selbst zu sein.
Ich muss hier weg!
Es war der einzige Gedanke, der sie beherrschte. Dass es wahnsinnig schwer sein würde, die Tür zu erreichen, stand fest, und deshalb dachte sie wieder über die andere Möglichkeit nach. Über ihre Fähigkeit, die sie als Fluch und auch als Segen bezeichnet hatte. In ihren Adern floss ein geheimnisvolles Serum, das ihr damals von Saladin, dem Hypnotiseur, eingespitzt worden war. Durch dieses Serum war sie in der Lage, sich wegzubeamen. Es wurde dann zu einem Spiel mit den Dimensionen.
Sie verließ die dreidimensionale Welt, schob sich für einen Moment hinein in eine andere, um später wieder in der normalen Welt, an einem von ihr gewählten Ort, zu erscheinen.
Nur war das nicht einfach.
Glenda benötigte eine wahnsinnige Konzentration, um diesen Vorgang in die Wege zu leiten. Dabei durfte sie sich durch nichts anderes ablenken lassen, und das war in diesem Fall leider nicht gegeben, weil sie von einer anderen Seite kontrolliert wurde.
Aufgeben oder nicht?
Sie schwankte, während sie nach vorn schaute und dabei die Wohnzimmertür ins Visier nahm. Würde es ihr gelingen, normal durch sie zu gehen? Die Geister wollten sie einfach nicht loslassen. Sie hatten sich in ihrem Kopf festgesetzt, quälten sie weiter und waren entschlossen, Glenda das Leben zu rauben. Oder das, was das Leben eines Menschen überhaupt ausmachte.
Erst schwächen, danach zuschlagen.
Und sie zeigten sich.
Zwischen Glenda Perkins und der Wohnzimmertür tauchten sie auf.
Helle Flecken zirkulierten durch die Luft. Rasten hin und her, lösten sich auf, formten sich wieder zusammen und führten ihren bizarren Tanz fort.
Sie waren nicht zu beschreiben, weil sie keine Gestalt hatten. Sie blieben nie länger an einer Stelle stehen, sie zerrissen, fügten sich wieder zusammen, und sie waren auch nicht zu greifen, weil sie keine feste Form hatten.
Etwas allerdings war schon anders geworden, und Glenda wollte die Veränderung zunächst nicht glauben, bis sie es schaffte, sich darauf zu konzentrieren.
Die andere Kraft dachte gar nicht daran, Glenda loszulassen, und doch gab es für sie eine Hoffnung, denn sie waren nicht mehr so stark.
Plötzlich war die Hoffnung wieder da. Sie hatte Glenda wie ein Blitzstrahl getroffen. Ein knappes Lächeln huschte über ihr Gesicht, ein Zeichen, dass sie den Kampf aufnehmen würde.
Wegbeamen. Grenzen überwinden. Das einsetzen, was ihr eingeimpft worden war. Es nicht mehr als einen Fluch betrachten, sondern als die große Chance, ihr Leben zu retten.
Konzentration!
Die Augen schließen. Alles andere außen vorlassen. Nicht mehr über die eigene Lage nachdenken und sich nur damit beschäftigen, wegzukommen.
Sie öffnete die Augen wieder. Das Schließen war nicht gut gewesen.
Glenda wollte sehen, was mit ihr geschah, und dafür brauchte sie offene Augen.
Die Geister tanzten noch immer durch den Raum. Sie genossen ihre Vorfreude, ehe sie zum großen Angriff ansetzten, um sich das Leben zurückzuholen.
Glenda wusste genau, was sie tun musste. Sie konzentrierte sich auf den Ort, an dem
Weitere Kostenlose Bücher