1586 - Leichenräuber
verschwinden?«
»Nein, das werde ich nicht. Ich habe hier noch einiges zu erledigen. Außerdem mag ich keine Ghouls. Wie ist es mit dir?«
»Ich mag Friedhöfe.«
»Das weiß ich. Aber wie steht es mit den Ghouls?«
Shini warf ihr einen scharfen Blick zu. Dann hob sie die Schultern und ging weg.
Shao wurde aus ihr nicht schlau. Shini war jemand, die Friedhöfe mochte. Da stand sie nicht allein.
Es gab ganze Gruppen von Grufties, die sich auf alten Totenackern herumtrieben, dort ihre Partys feierten, um den Jenseitigen nahe zu sein. Hin und wieder holten sie auch Knochen aus den Gräbern, doch das war nicht die Regel. Bei einer Konfrontation mit den Ghouls würden diese auch auf Grufties keine Rücksicht nehmen. Egal, ob es nun Menschen waren, die Friedhöfe liebten oder nicht. Sie interessierte nur das Fleisch der Toten.
Shao befand sich seit kurzer Zeit allein in der Leichenhalle. Shini war nicht mehr da. Sie würde draußen auf sie warten, und Shao wusste auch, dass sie die Begleitung des Mädchens nicht länger gebrauchen konnte. Sie musste ihren Weg allein finden.
So machte sie sich auf den Rückweg. Von der relativ hellen Leichenhalle wieder hinein in die Dunkelheit, die ihr jetzt noch finsterer erschien als zuvor.
In der offenen Tür blieb sie stehen. Irgendein Gefühl hielt sie zurück.
Sie traute sich nicht mehr weiter. Sie hatte das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Äußerlich gab es keine Veränderung. Nur dass Shini nicht mehr da war.
Aber jemand befand sich in der Nähe, das spürte sie, auch wenn sie diese Person oder Unperson nicht sah.
Dennoch war sie da, denn den Geruch, der jetzt in ihre Nase stieg, konnte sie einfach nicht ignorieren.
Es stank nach Verwesung…
***
Suko atmete auf, nachdem er sich den kalten Schweiß von der Stirn gewischt hatte.
Es war gut, dass er Shao angerufen hatte, so wusste er Bescheid, dass sie den Friedhof erreicht hatte.
Seine Sorgen ihretwegen waren recht groß gewesen, doch jetzt hatten sie sich verringert, aber verschwunden waren sie nicht.
Dieser Friedhof war eine tödliche Falle. Und es würde für Shao nicht leicht sein, sich bis zu ihm durchzuschlagen.
Um so mehr beschäftigte sich Suko mit seiner Lage. Er saß in diesem verdammten Loch fest und kam nicht hoch. Er hatte zwar einige Versuche unternommen, aber die Grubenwände waren einfach zu glatt. Er war immer wieder abgerutscht, hatte dabei weitere Steine aus dem Verbund gerissen, die sich jetzt auf dem Boden verteilten.
Er ging hin und her. Es war eng in diesem Gefängnis, aber Suko wollte in Bewegung bleiben. Er konnte sich nicht vorstellen, dass nichts geschah und alles an ihm vorbeilief, nein, das gab es einfach nicht. Sie hatten ihn nicht in diese Lage gebracht, um ihn hier in der Grube verhungern zu lassen. In seiner Lage war er die perfekte Beute. Man musste ihn nur noch töten, dann konnten die Ghouls über seinen Körper herfallen.
Seine Hoffnung hieß Shao. Der Weg vom Eingang des Friedhofs oder von der Leichenhalle war nicht weit. Er konnte nur weit werden, wenn es Probleme gab, und wahrscheinlich würde Shao damit zu kämpfen haben.
Suko hatte die drei bleichen Gestalten nicht vergessen. Ihr Anblick würde sich nie aus seiner Erinnerung vertreiben lassen, und er stellte sich die Frage, ob sie normale Ghouls waren.
Das Geschöpf, das durch den unterirdischen Gang auf ihn zu gekrochen war, das war ein echter Leichenfresser gewesen. Schleimig, stinkend, einfach widerlich und ekelhaft.
Obwohl er die drei übrigen Gestalten nicht sehr deutlich gesehen hatte, ging er davon aus, dass sie nicht viel mit dem Schleimklumpen aus dem Gang gemein hatten. Vielleicht waren es andere Ghouls. Abarten der schleimigen Wesen.
Suko war auch bekannt, dass manche Ghouls es schafften, eine menschliche Gestalt anzunehmen, sodass sie so von den Menschen nicht gleich als Leichenfresser erkannt wurden. Allerdings besaßen sie einen entscheidenden Nachteil. Sie konnten ihren Verwesungsgeruch nie ganz abschütteln. Da reichte selbst das stärkste Parfüm nicht aus, um diesen ekligen Gestank zu übertünchen.
Abwarten, auf Shao hoffen. Mehr blieb Suko nicht. Und zudem hoffte er, dass sie nicht den drei Gestalten in die Arme lief. Wenn das geschah, war sie verloren.
Äußerlich war ihm nicht anzusehen, was ihn innerlich quälte, aber das Ausharren hier in der Fallgrube war schon mehr als eine Qual, die er durchstehen musste.
Von den wenigen Geräuschen auf dem Friedhof über ihm bekam er so gut wie
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