1586 - Leichenräuber
ihrer Nähe war. Nur zeigte er sich nicht. Es gab zu viele Deckungen im Umkreis, wo er sich verborgen halten konnte. Vielleicht waren es sogar mehrere.
Aber es gab nicht nur die verborgenen Ghouls. Shao dachte auch an Shini.
Von ihr war nichts mehr zu sehen. Sie schien sich ebenfalls ein Versteck gesucht zu haben. Dass sich dies in der Nähe eines Ghouls befand, konnte sich Shao nur schwer vorstellen. Es konnte natürlich sein, dass sie es geschafft hatte, mit den Leichenfressern einen Pakt zu schließen, auch wenn Shao sich das nur schlecht vorstellen konnte.
Was soll ich tun?
Diese Frage drängte sich auf, und sie fand keine Antwort darauf. Es gab ja nicht nur die Ghouls, Suko war das Wichtigste für sie, und sie musste ihn finden.
Shaos Gesicht wirkte wie aus Stein gemeißelt, als sie ihre Waffe zog und sie mit der rechten Hand umklammerte. Im Magazin steckten geweihte Silberkugeln, die absolut tödlich für Ghouls waren.
Aber sie zeigten sich nicht. Shao blieb allein, und auch Shini ließ sich nicht mehr sehen.
Und so legte Shao den Weg allein zurück, wobei sich ihr Herzschlag allmählich wieder beruhigte.
Sie wurde eiskalt, beinahe so wie in ihrer zweiten Gestalt, dem Phantom mit der Maske.
Sie ließ die Leichenhalle hinter sich, ohne dass etwas geschah. Ihr Handy meldete sich auch nicht, was Shao als positiv ansah, denn eine Störung konnte sie jetzt nicht gebrauchen.
Ein Nebenweg würde sie zu ihrem Ziel führen. Das wusste sie, und sie wusste auch, dass dies zu einem Problem werden konnte. Die Nebenwege lagen in tiefer Dunkelheit. Aber sie hatte keine andere Wahl, und dazu musste sie ihre Lampe einschalten, auch wenn sie ihren Gegnern damit anzeigte, wo sie sich befand.
Zunächst wollte sie es allerdings ohne Licht versuchen. Erst wenn es gar nicht mehr anders ging, würde sie die Lampe einschalten.
Sie orientierte sich an einer Buschgruppe. Sie sah so aus, als würde sie zumindest eine Seite des Wegs markieren.
Shao nahm dies als Hoffnungsschimmer.
Nach drei Schritten war alles anders. Von der rechten Seite hörte sie aus der Dunkelheit das Zischen, dachte zunächst an ein Tier und fuhr herum.
Zugleich schaltete sie die Leuchte ein, und der Kegel am Ende des Strahls traf auch ein Ziel.
Es war Shinis Gesicht, die sich geduckt hatte und sich nun zwinkernd aufrichtete. Dabei legte sie einen Finger senkrecht auf ihre Lippen. In ihren Augen lag ein verschwörerisch anmutender Ausdruck.
Shao war erleichtert. Sie ließ die Hand mit der Lampe sinken und steckte sie rasch weg.
»Wo kommst du her?«
Shini schüttelte den Kopf. »Du solltest jetzt keine Fragen mehr stellen.«
»Warum nicht?«
»Soll ich dir helfen oder nicht?«
Shao schnaubte. »Auf einmal? Was ist denn in dich gefahren? Wieso dieser Sinneswandel?«
»Weiß ich auch nicht.«
»Das glaube ich dir nicht.«
Shini machte eine wegwerfende Handbewegung. »Es ist doch furzegal. Glaubst du mir oder glaubst du mir nicht?«
Die Chinesin verzog die Lippen. Was sollte sie tun? Sie befand sich in einer schlechteren Position.
Hier war für sie Feindesland, in dem zusätzlich noch ihr Lebenspartner gefangen gehalten wurde.
»Ich muss dir ja glauben.«
»Schön, dies zu hören.« Shini schob einige Zweige zur Seite und trat ganz aus dem Gebüsch hervor.
Sie nickte Shao zu und lächelte knapp. »Du willst deinen Partner finden?«
»Ja.«
»Ich weiß, wo er steckt.«
Shao grinste. »Ist mir klar. Du warst ja schon an der Grube, in der er steckt.«
Shini nickte. »Und du willst ihn befreien. Deshalb hast du auch das Seil mitgenommen.«
»Richtig.«
»Und du gehst auch davon aus, dass er noch am Leben ist?«
»Natürlich, was sonst? Du bist selbst dabei gewesen, als ich mit ihm telefonierte.«
»Ja, ja, schon gut.«
Die Neugierde der Chinesin war nicht gestillt. Sie hätte gern gewusst, was Shini auf diesem alten Friedhof trieb. Nur war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, sie danach zu fragen. Es waren noch immer Ghouls unterwegs, und Suko musste auch so rasch wie möglich gefunden werden. Da waren irgendwelche Antworten auf bestimmte Fragen unwichtig.
»Dann gehe ich vor.«
Shao nickte. »Gern.«
Shini grinste sie an. »Du wirst mir ja nicht in den Rücken schießen, oder?«
»Warum sollte ich?«
»War nur eine Frage. Trau schau wem.«
»Geh endlich los.«
»Keine Sorge, du wirst deinen Freund noch früh genug zu Gesicht bekommen.«
»Und ich will ihn lebend sehen.«
Shini hob nur die Schultern. Sie redete nicht mehr
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