1589 - Der steinerne Templer
seinem beschleunigten Herzschlag bemerkbar machte.
Pierre kniet sich hin. Die Lampe hatte er mit dem Griff zwischen die Zähne gesteckt. Jetzt nahm er sie wieder hervor und leuchtete in die viereckige Öffnung hinein.
Er erwartete, das Rauschen eines unterirdischen Flusses oder Kanals zu hören, was jedoch nicht zutraf.
Aus der Tiefe stieg ihnen eine ungewöhnliche Stille entgegen. Es konnte auch sein, dass das Rauschen der Seine zu laut war, sodass sie nichts Besonderes hörten.
»Da ist nichts«, sagte Jean.
»Ich weiß nicht.« Pierre wollte mehr sehen, und er fand die alte Eisenleiter, die nach unten führte. An ihr glitt der Lichtstrahl der Lampe hinab, und beide Flies stießen gleichzeitig einen Pfiff aus, weil ihnen etwas aufgefallen war.
Die schmalen Trittflächen dieser nach unten führenden Leiter waren nicht durchgehend verrostet. In der Mitte gab es immer blanke Stellen, die darauf hindeuteten, dass jemand entweder nach unten oder nach oben gestiegen war.
»Das ist doch nicht normal!«, flüsterte Pierre.
»Du meinst, dass dieser Weg schon benutzt worden ist?«
»Ja, und das nicht nur einmal.«
»Sollte uns das jucken?«
Pierre hob Kopf und Schultern an, ebenso wie sein Kollege. So schauten sich beide über das viereckige Loch hinweg an.
»Ja, es sollte uns jucken.«
»Und warum?«
»Wir können es melden. Dieser Kommissar hat Uns diesen Auftrag bestimmt nicht nur aus Spaß gegeben. Es ist besser, wenn wir ihn sofort benachrichtigen.«
Jean grinste. »Willst du befördert werden?«
»Schwachsinn. Aber irgendwie müssen wir alle zusammenhalten, finde ich zumindest.«
»Okay, Alter, dann tu, was du nicht lassen kannst.«
Pierre nickte. Er wollte über Handy seine Meldung abgeben. Um ganz sicher zu sein, wollte er noch einmal in die Tiefe leuchten und einen letzten Blick in den Einstieg werfen.
Jean ließ ihn gewähren. Er interessierte sich mehr für die Umgebung.
Und so sah er nicht, dass sein Kollege erschrak, als hätte man ihm einen Schlag versetzt.
Erst als Pierre aufschrie, schaute Jean ihn an. Der Kollege leuchtete nicht mehr in das Einstiegsloch hinein. Er hockte wie erstarrt am Rand der Öffnung und starrte ins Leere.
»He, was hast du denn?«
»Das gibt es nicht!«
»Was?«
Pierre deutete mit seinem Zitterfinger in die Öffnung hinein. »Da war jemand!«
»Was?«
»Ja, verdammt. Wenn ich es dir sage. Eine Gestalt.«
»Hä? Ein Kanalarbeiter vielleicht?«
»Nein, ein anderer Typ.«
»Und wo hast du ihn gesehen?«
»Er stand auf dem Boden. Und zwar dort, wo die Leiter zu Ende ist. Sehr tief geht es hier ja nicht nach unten.«
Jean wusste, dass er seinem Kollegen vertrauen konnte. Pierre war bestimmt kein Spinner. Der bildete sich auch nichts ein. Was er gesehen hatte, das hatte er gesehen.
Trotzdem wollte Jean selbst nachschauen. Zuvor warf er noch einen Blick in das Gesicht seines Kollegen, dessen Züge sich verzerrt hatten.
Pierre sah sehr angespannt aus.
»Okay, ich leuchte mal.«
Jean holte geräuschvoll Luft, bevor er den Strahl der Lampe in die Tiefe schwenkte.
Pierre hatte recht gehabt. Dieser Schacht war wirklich nicht sehr tief.
Aber das alles war jetzt unwichtig, denn jetzt sah auch Jean, dass jemand am Fuß der Leiter stand. Er hatte seinen Kopf in den Nacken gelegt und schaute in das Licht hinein.
Es war kein Kanalarbeiter, der noch in der Kanalisation zu tun gehabt hatte. Die Person, die sich dort unten aufhielt sah eher aus wie ein Mönch, und das war auch für Jean nicht zu fassen….
***
Es reichte ihm aus, dass er das Licht nur für Sekunden angelassen hatte. Nun löschte er es und drehte sich seinem Kollegen zu.
»Da ist tatsächlich einer.«
»Sage ich doch.«
»Und wer?«
Pierre verzog das Gesicht. »Das kann ich dir nicht sagen. So wie der allerdings aussieht, gehört er nicht dort unten hin. Das ist doch Wahnsinn.«
»Stimmt. Ich denke an einen Mönch.«
»Das glaube ich auch.«
Jean schluckte seinen eigenen Speichel und flüsterte wenig später: »Sollen wir das Ding wieder schließen und so tun, als hätten wir nichts gesehen?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Du bist Polizist, vergiss das nicht. Wir müssen den Dingen auf den Grund gehen. Vielleicht hat der Typ nur darauf gewartet, dass man ihm hilft und ihn befreit. Das ist alles möglich. Er kann sich auch da unten verirrt haben, was weiß ich.«
»Gut, dann fragen wir ihn.«
Damit war auch Pierre einverstanden. Er beugte sich abermals nach vorn und ließ den hellen
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