1592 - Der Tiermensch
Rettung der Umwelt verschrieben. Er wollte im Kleinen vormachen, was dann im Großen umgesetzt werden sollte. Sehr ehrenwert, aber für mich war es ein Kampf gegen Windmühlenflügel.«
Ich fragte: »Er lebt allein dort?«
»Ja.«
»Kein Förster in der Nähe?«
»Nein, der hat das alte Haus, in dem jetzt Noah lebt, aufgegeben. Er wohnt jetzt woanders.« Maxine hob eine Hand. »Aber so ganz allein ist er doch nicht. Es gibt Waldarbeiter, die dort zu tun haben. Gerade jetzt vor dem Winter.«
»Das hört sich nicht gut an«, kommentierte ich.
»Wie meinst du das? Rechnest du damit, dass sie bei ihrer Arbeit überfallen werden könnten?«
»Ich will den Teufel nicht an die Wand malen. Aber ausschließen kann man es nicht.«
»Okay, John. Was sollen wir tun? Was schlägst du vor?«
»Wir statten Noah Lynch einen Besuch ab.«
»Genau auf diesen Vorschlag habe ich gewartet«, sagte Maxine und nickte heftig.
»Und ich fahr mit euch!«, meldete sich Carlotta.
, Maxine und ich schauten uns an. Nach einer Weile nickten wir, und die Tierärztin sagte: »Aber denk daran, dass du dich zurückhältst.«
Carlotta lächelte breit. »Tue ich das nicht immer?«
»Möchtest du darauf wirklich eine Antwort?«
»Nein, nein, ich weiß auch so Bescheid…«
***
Die Nacht war vorbei!
Endlich, denn die vergangenen Stunden hatten Noah Lynch einen Wirrwarr von Gefühlen beschert. Er wusste einfach nicht mehr, wie er sich fühlen sollte. Als Mensch oder als etwas anderes, wobei ihm das Wort Tier nicht über die Lippen kommen wollte.
Sein Verschwinden aus Maxine Wells’ Haus war eine Flucht gewesen.
Dann hatte er zu Hause die eigene Veränderung erlebt und seine Probleme damit gehabt.
Er dachte für einen Moment an das Gesicht, das er außen am Badezimmerfenster gesehen hatte. Er war aus dem Haus gestürzt, aber er hatte nur einen großen Schatten durch die Luft fliegen sehen und sonst niemanden entdecken können.
Schließlich war er irgendwann eingeschlafen, wenn auch mit einem ungewöhnlichen und durch einen nichts zu beweisenden Gedanken. Er hatte einfach das Gefühl gehabt, nicht mehr allein zu sein. Dasfe jemand in seiner Nähe lauerte, der ihn unter Beobachtung gehalten hatte, zumindest eine Zeit lang.
Er hatte aber nicht richtig auf das Gefühl reagiert, weil er in seinem Innern einen zu großen Zwiespalt erlebt hatte.
Und jetzt war es wieder Tag.
Er hatte sich im Bett wiedergefunden, ohne zu wissen, wie er dorthin gekommen war. Aber die Erinnerung an das unheimliche und unbegreifliche Geschehen war sofort wieder zurückgekehrt, und als Erstes nach dem Erwachen hatte er sich seine Hände angeschaut.
Normale Hände!
Keine Haut, auf der sich ein dichter Pelz ausbreitete. Nur die normalen Haare hatte er gesehen, und die Erleichterung hatte ihn wie eine Welle überschwemmt.
Er war dann aufgestanden.
Er war ins Bad gegangen, und das mit gesenktem Blick, weil er sich nicht traute, den Kopf anzuheben und in den Spiegel zu schauen. Aber dann hatte er es doch getan, als er vor dem Spiegel stand.
Und nun starrte er sich an.
Er sah im Spiegel sich selbst. Und nicht nur das, er schaute auf einen normalen Menschen, wobei er den Eindruck hatte, dass dieses Bild täuschte, dass es gar nicht vorhanden war, dass er eine Illusion erlebte.
Er hob seinen rechten Arm an, fuhr damit durch sein Gesicht und sah im Spiegel eben diese Bewegung.
Alles normal!
Noah schaute sich in die Augen und entdeckte darin die Veränderung im Blick.
Furcht, Unwissen, Zweifel. Das alles vereinigte sich darin.
Zugleich erlebte er in seinem Innern erneut dieses bedrückende Gefühl, aber wenn er sich gedanklich zurück in die Vergangenheit tastete, dann wollte er nicht wahrhaben, was in Wirklichkeit passiert war. Er wünschte sich, einen Traum erlebt zu haben.
Dabei wanderten seine Erinnerungen in eine bestimmte Richtung.
Zwar schaute er in den Spiegel, doch das Bild, das ihm in den Sinn kam, war nicht sein eigenes Konterfei, sondern das einer schönen Frau, die er getroffen hatte.
Morgana Layton!
Ja, das war ihr Name gewesen. Er hatte ihn zum ersten Mal gehört. Er war von ihr augenblicklich fasziniert gewesen, und er konnte noch jetzt kaum glauben, was geschehen war.
Sie war so sanft gewesen, so fraulich und dann…
Noah hörte sich stöhnen. Von einem Augenblick zum anderen war alles anders gewesen.
Aus der Frau war ein Tier geworden, ein Monster, ein Ding, das es eigentlich nicht geben konnte.
»Und was bin ich?«, flüsterte er sich
Weitere Kostenlose Bücher