16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren
würde ich bezahlen; dir aber biete ich nichts an. Alles in allem genommen, sind wir heute quitt, und ich hoffe, daß nicht etwa eine neue Rechnung aufläuft.“
„Aber wir sind noch nicht quitt!“ rief Suef mir grimmig zu. „Du wirst mir die heutige Rechnung zahlen.“
„Sehr gern! Jedenfalls wieder in Hieben!“
„O nein! Das nächstemal werden Kugeln ausgeteilt!“
„Auch das ist mir recht. Ich bin vollständig überzeugt, daß wir uns wiedersehen werden. Ich habe dich kennengelernt und kann mich nicht mehr in dir irren.“
„O, du kennst mich noch lange nicht!“ höhnte er.
„Das wird sich später zeigen. Ich weiß sehr genau, daß du wenige Minuten nach mir dieses Haus auch verlassen wirst – – –“
„Kann ich etwa gehen?“
„Nein; du wirst reiten.“
„Mann, du bist allwissend! Wenn du wirklich so klug bist, wie du tust, so sage mir doch, wohin ich reiten werde.“
„Den anderen nach.“
„Wozu?“
„Um ihnen zu melden, daß ich Karanirwan suche. Grüße sie von mir und sage ihnen, daß sie beim nächsten Male nicht im Wasser, sondern vielleicht im Blut stehen werden, aber freilich in ihrem eigenen.“
Osco schob mich hinaus. Draußen standen die Pferde, und wir stiegen auf. Auch der Wagen mit Janik und Anka hielt vor der Tür. Ihre wenigen Sachen hatten sie hinter sich liegen, und ihre Gesichter glänzten vor Freude.
„Wir reiten erst zu dem Ort, an welchem die Pferde gestanden haben, und kommen euch dann nach“, rief ich ihnen zu.
Der Knecht, welcher uns führen wollte, stand bereit. Wir kamen gar nicht in das Dorf, und in fünf Minuten hatte er uns an die Stelle gebracht und nahm dann Abschied. Als er mir die Hand reichte, fragte ich ihn noch, um die Hauptsache nicht zu vergessen, wie viele Männer von da fortgeritten seien. Es waren fünf, aber nur Manach el Barscha, den Bruder Habulams, kannte er. Ich ließ mir die andern vier beschreiben: Barud el Amasat, der alte Mübarek und die beiden Aladschy waren es gewesen. Der verwundete Mübarek hatte ganz stramm im Sattel gesessen: – der Alte mußte wirklich eine Nilpferdnatur besitzen.
Ich wollte meines Fußes wegen nicht selbst absteigen und beauftragte also die anderen, die zahlreichen Hufspuren genau zu untersuchen.
„Wozu soll das nützen?“ fragte Osco.
„Die Pferde wieder zu erkennen. Vielleicht kommen wir in die unangenehme Lage, nicht genau zu wissen, wen wir vor uns haben. In diesem Fall wäre es von großem Vorteil, wenn eines der Pferde irgend eine Eigentümlichkeit am Huf hätte, welche sich der Spur eindrückt. Wir würden das Pferd dann später an der Hufspur erkennen.“
Es war ein Rasenplatz, auf welchem wir uns befanden. Im Schatten mehrerer riesiger Platanen standen zahlreiche Sträucher und Bäumchen von Quitten, zwischen denen der Boden zertreten war. Spuren gab es also genug, aber keine einzige, welche etwas so Charakteristisches gehabt hätte, um sie später unter anderen herauszusuchen. Wir brachen also unverrichteter Sache wieder auf.
Der Regen hatte den Boden so tief erweicht, daß es außerordentlich leicht war, den Spuren zu folgen. Sie führten nach der Straße, auf welcher man über Guriler und Kavadschinova nach Uskub kommt. Selbst auf dieser Straße war die Fährte deutlich zu erkennen, da der Schlamm hoch lag und es keinen Verkehr gegeben hatte.
Wir erreichten den Wagen des glücklichen Paares sehr bald, und nun, da keiner der Bewohner des Schlosses es sehen konnte, gab ich dem erstaunten Janik die tausend Piaster Habulams als Hochzeitsgeschenk. Der brave Bursche sträubte sich zwar, auch dieses Geschenk noch zu nehmen, aber er mußte es doch endlich zu sich stecken. Beide flossen in Dankesworten über. Wir hatten eben zwei Menschen glücklich gemacht, und das wog die Widerwärtigkeit der letzten Vorfälle reichlich auf.
Der Schmutz der Straße war so dick, daß wir nur langsam reiten konnten. Wo es irgendein Wässerlein gab, da war es über die Ufer getreten. Glücklicherweise lachte über uns ein freundlicher Himmel.
Halef trachtete, an meine Seite zu kommen, und begann:
„Du willst unsere Gegner überholen, Sihdi; wird uns das gelingen?“
„Nein, denn ich bin entschlossen, es nicht zu tun. So lange ich glaubte, daß das beiderseitige Ziel Karanorman bei Weicza sei, mußte ich es für einen Vorteil für uns halten, dort eher als unsere Feinde anzukommen. Seit es sich aber herausgestellt hat, daß ich mich irrte, ist uns unser Ziel vollständig unbekannt, und wir
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