16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren
Bruder.“
Da nahmen seine Augen einen freundlicheren Blick an, und sein Gesicht wurde weniger ernst.
„Kennst du die beiden?“ fragte er nun.
„Sehr gut. Natürlich muß ich sie kennen.“
„Natürlich? Wieso?“
„Weil wir Brüder sind.“
„Woher kommst du?“
„Aus Stambul. Ich bin ein Abgesandter des Usta, von welchem du gehört haben wirst.“
„Ich weiß. An wen hat er dich gesandt?“
„An den Schut.“
„Wirst du diesen finden?“
„Ich denke es.“
„Hm! Das ist schwer.“
„Mir aber wird es leicht sein, denn du wirst mir Auskunft erteilen.“
„Ich? Was weiß ich von dem Schut! Hälst du mich für einen Räuber?“
„Nein, sondern für einen tapferen Skipetaren, welcher die Bedeutung dieser Koptscha kennt und danach handeln wird.“
„Herr, ich weiß genau, was ich zu tun habe. Die Koptscha, welche du trägst, ist diejenige eines Anführers; aber wir haben dieses Zeichen abgeschafft. Es gilt nichts mehr, denn es ist zu viel Mißbrauch mit demselben getrieben worden. Es gibt jetzt ganz andere Zeichen.“
„Welche?“ fragte ich gelassen.
„Du siehst ein, daß ich sie dir nicht sagen kann, denn du selbst sollst dich ja durch dieselben legitimieren.“
„Es sind Worte?“
„Ja. Das erste Wort bedeutet einen Ort. Wo suchst du den Schut?“
„In der Derekulibe.“
„Herr, das stimmt. Ich höre, daß du wirklich zu uns gehörst. Aber das andere Erkennungszeichen? Kennst du es?“
Leider hatte ich keine Ahnung, welches Wort es sein sollte. Da dachte ich an den Fährmann von Ostromdscha und an die Art und Weise, wie er sich bei dem alten Mübarek legitimieren mußte. „Bir Syrdasch – ein Vertrauter“, hatte er vor der Tür rufen müssen. Sollte dies auch hier das Zeichen sein? Ich wagte es, mich desselben zu bedienen, und antwortete:
„Natürlich muß ich es kennen, denn ich bin ja bir Syrdasch – ein Vertrauter.“
Jetzt nickte er zufrieden, reichte mir die Hand und sagte in fast herzlichem Ton:
„Auch das stimmt. Du bist einer der Unsrigen. Ich darf Vertrauen zu dir haben und heiße dich willkommen. Willst du nicht dieses Haus verlassen und lieber mein Gast sein?“
„Ich danke dir. Du siehst ein, daß es besser ist, wenn ich hier bleibe.“
„Du bist ein kluger und vorsichtiger Mann; das freut mich und erhöht mein Vertrauen. Welche Botschaft hast tu uns zu bringen?“
„Das darf ich nur dem Schut sagen.“
„Also auch zu schweigen weißt du. Hm! Was werde ich tun?“
Er stand auf und schritt nachdenklich in der Stube auf und ab. Dann fragte er:
„Ist es etwas Persönliches oder Geschäftliches?“
„Es handelt sich um ein Geschäft, welches gar sehr viel einbringen kann.“
Seine Augen funkelten gierig.
„Und was erwartest du von mir?“
„Daß du mich zur Derekulibe führst.“
„Denkst du, den Schut dort zu finden?“
„Hoffentlich.“
„Nun ich kann dir im Vertrauen sagen, daß er dich dort erwarten wird, wenn ich ihn benachrichtige. Das wird nur ein kleines Stündchen in Anspruch nehmen. Hast du so lange Geduld?“
„Wenn es sein muß, werde ich warten, obgleich ich Eile habe.“
Es lag mir natürlich daran, dem Mübarek zuvorzukommen. Traf dieser unterdessen ein, so war es um mich geschehen.
„Ich werde mich beeilen“, versicherte er. Und nun einen forschenden Blick auf meine Begleiter werfend, fuhr er fort:
„Wer sind diese Männer?“
„Meine Freunde und Begleiter.“
„Kommen sie in derselben Angelegenheit?“
Ich bejahte, und er fragte weiter:
„Und auch sie wollen den Schut sehen?“
„Das ist nicht unbedingt notwendig. Es genügt wohl auch, wenn ich allein mit ihm spreche.“
Es glitt ein leises undefinierbares Lächeln über sein Gesicht. Er drehte die Spitzen seines langen Schnurrbartes aus, überflog die drei nochmals mit prüfendem Blick und antwortete:
„Sie müssen auch mitkommen. Der Schut wird sie gewiß ebenfalls sehen wollen, da sie mit dir gekommen sind.“
„Auch das ist mir recht.“
„Aber, Herr, ich sehe, daß du die Stiefel eines Kranken trägst. Was hast du an deinen Beinen?“
„Während des Rittes ist mir ein Fuß verletzt worden; ich kann also nicht gehen.“
„Wie willst du mir denn nach der Derekulibe folgen?“
„Zu Pferd.“
„O, man hört, daß du den Weg nicht kennst. Zu Roß könntest du gar nicht durch das Dickicht kommen.“
„Ist es nicht möglich, daß der Schut sich zu mir bemühe?“
„Was denkst du! Er würde es nicht tun, selbst wenn der Padischah
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