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16 Uhr 50 ab Paddington

16 Uhr 50 ab Paddington

Titel: 16 Uhr 50 ab Paddington Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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kann ich mir andererseits nicht leisten. Wäre es möglich, an den meisten Tagen eine gewisse Zeit freizuhaben?»
    «Aber natürlich. Jeden Nachmittag bis sechs, wenn Sie möchten.»
    «Das wäre herrlich.»
    Miss Crackenthorpe zögerte kurz, dann sagte sie: «Mein Vater ist alt und manchmal etwas – schwierig. Er legt großen Wert auf Sparsamkeit, und manchmal rutschen ihm Bemerkungen heraus, die verletzend klingen. Es wäre mir –»
    Lucy fiel ihr ins Wort:
    «Ich bin die verschiedensten alten Menschen gewohnt», sagte sie. «Bisher bin ich immer mit ihnen klargekommen.»
    Emma Crackenthorpe wirkte erleichtert.
    «Probleme mit dem Vater!», befand Lucy. «Bestimmt ein alter Wüterich.»
    Sie bekam ein großes dunkles Zimmer zugewiesen, das ein kleiner Radiator nur unzureichend wärmte, und wurde im Haus herumgeführt, einem ungemütlichen Herrenhaus. Als sie an einer Tür in der Halle vorbeikamen, brüllte eine Stimme:
    «Bist du das, Emma? Hast du das neue Mädchen dabei? Bring sie her. Ich will sie mir ansehen.»
    Emma wurde rot und warf Lucy einen entschuldigenden Blick zu.
    Die beiden Frauen traten in das Zimmer. Es hatte dicke dunkle Samttapisserien, schmale Fenster, die wenig Licht hereinließen, und stand voller massiver Mahagonimöbel aus viktorianischer Zeit.
    Der alte Mr. Crackenthorpe lag ausgestreckt in einem Rollstuhl, an dem ein Gehstock mit Silberknauf lehnte.
    Er war ein großer hagerer Mann mit Hängebacken, einem Kopf wie eine Bulldogge und einem kampflustig vorgereckten Kinn. Unter den dichten schwarzen, teilweise ergrauten Haaren funkelten misstrauische Äuglein.
    «Dann lassen Sie sich mal ansehen, junge Dame.»
    Lucy ging gelassen lächelnd zu ihm.
    «Eine Sache schreiben Sie sich besser sofort hinter die Ohren. Bloß weil wir in einem großen Haus leben, heißt das noch lange nicht, dass wir reich sind. Wir sind nicht reich. Wir leben einfach – haben Sie verstanden? –, einfach und bescheiden! Hochtrabende Vorstellungen sind hier fehl am Platz. Kabeljau ist genauso gut wie Steinbutt, lassen Sie sich das gesagt sein. Verschwendung lasse ich mir nicht bieten. Ich wohne hier, weil mein Vater dieses Haus gebaut hat und weil es mir gefällt. Nach meinem Tod können sie es verkaufen, wenn sie wollen – und sie werden wollen. Kein Familiensinn. Dieses Haus wurde für die Ewigkeit gebaut – es ist solide, und wir haben unseren eigenen Grund und Boden. Dadurch haben wir Ruhe. Wenn man es als Bauland verkauft, würde es eine Menge einbringen, aber nicht, solange ich lebe. Mich wird man hier nur mit den Füßen voran raustragen.»
    Er funkelte Lucy an.
    «Eigener Herd ist Goldes wert», sagte Lucy.
    «Wollen Sie mich zum Besten halten?»
    «Ganz und gar nicht. Es muss sehr schön sein, wenn man einen echten Landsitz mitten in der Stadt hat.»
    «Ganz meine Meinung. Von hier sieht man weit und breit kein Haus, stimmt’s? Felder mit Kühen – mitten in Brackhampton. Bei bestimmten Windrichtungen hört man den Verkehr – aber davon abgesehen leben wir noch mitten auf dem Lande.»
    Zu seiner Tochter gewandt, fügte er ohne Pause oder Tonveränderung hinzu:
    «Ruf diesen Narren von Arzt an. Sag ihm, seine letzte Arznei taugt nichts.»
    Lucy und Emma gingen. Er rief ihnen nach:
    «Und lass das Weibsstück, das immer so schnieft, hier nicht mehr Staub wischen. Die hat mir die ganzen Bücher verstellt.»
    Lucy fragte:
    «Ist Mr. Crackenthorpe schon lange invalide?»
    Emma sagte ausweichend:
    «Oh, schon seit Jahren… Das hier ist die Küche.»
    Die Küche war riesig. In der Mitte stand kalt und verlassen ein monumentaler Herd, daneben ein nüchterner Aga.
    Lucy fragte nach den Essenszeiten und inspizierte die Speisekammer. Dann sagte sie munter zu Emma Crackenthorpe:
    «Ich weiß vorläufig alles, was ich wissen muss. Keine Sorge. Überlassen Sie alles mir.»
    Emma Crackenthorpe seufzte erleichtert, als sie sich an diesem Abend zurückzog.
    Die Kennedys hatten völlig Recht, sagte sie sich. Sie ist großartig.
    Am nächsten Morgen stand Lucy um sechs Uhr auf. Sie brachte das Haus in Ordnung, putzte Gemüse, deckte den Tisch und bereitete und servierte das Frühstück. Zusammen mit Mrs. Kidder machte sie die Betten, und um elf Uhr setzten sich die beiden zu einer Kanne starken Tees und Gebäck in die Küche. Mrs. Kidder hatte es besänftigt, dass Lucy nicht auf dem hohen Ross saß, zudem liebte sie starken und süßen Tee und erging sich daher in Klatsch und Tratsch. Sie war eine spindeldürre Frau

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