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16 Uhr 50 ab Paddington

16 Uhr 50 ab Paddington

Titel: 16 Uhr 50 ab Paddington Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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einen Feldweg, der an einer Fabrikmauer entlangführt. Wahrscheinlich ist er aus dieser Richtung gekommen, in die Unterführung eingebogen und zur Lieferantenzufahrt weitergefahren. Dann konnte er über den Zaun steigen, unten am Bahndamm entlang bis zur Leiche gehen und sie zum Auto zurücktragen.»
    «Und dann hat er sie an einen Ort gebracht, den er sich bereits ausgesucht hatte», spann Miss Marple den Gedanken weiter. «Das Ganze war wohl überlegt. Und ich glaube, wie gesagt, nicht, dass er sie von Rutherford Hall entfernt hat, oder wenn, dann nicht sehr weit. Das Einfachste wäre doch wohl, sie irgendwo zu vergraben, oder?» Sie sah Lucy forschend an.
    «Ja, wahrscheinlich», sagte Lucy nachdenklich. «Aber das ist schwieriger, als es sich anhört.»
    Miss Marple pflichtete ihr bei.
    «Im Park konnte er sie nicht begraben. Zu viel Arbeit und zu auffällig. Irgendwo, wo die Erde bereits aufgewühlt war?»
    «Vielleicht im Küchengarten, aber der liegt ganz in der Nähe vom Cottage des Gärtners. Er ist zwar alt und schwerhörig – aber riskant wäre es trotzdem.»
    «Gibt es einen Hund?»
    «Nein.»
    «Dann vielleicht in einer Remise oder einem Nebengebäude?»
    «Das wäre einfacher und ginge schneller… Es gibt eine ganze Reihe nicht mehr benutzter alter Gebäude; eingefallene Schweineställe, Sattelkammern, Werkstätten, die nie betreten werden. Er könnte sie auch einfach in eine Rhododendrongruppe oder ein Gebüsch geworfen haben.»
    Miss Marple nickte.
    «Ja, das halte ich für sehr viel wahrscheinlicher.»
    Es klopfte an der Tür, und die sauertöpfische Florence kam mit einem Tablett herein.
    «Schön, dass Sie Besuch haben», sagte sie zu Miss Marple. «Ich habe Ihnen meine Biskuits gebacken, die Sie immer so gemocht haben.»
    «Florence backt einfach köstliches Teegebäck», sagte Miss Marple.
    Florences zerknitterte Gesichtszüge verzogen sich unerwartet zu einem Lächeln, und sie verließ hocherfreut das Zimmer.
    «Liebes», sagte Miss Marple, «ich schlage vor, dass wir uns beim Tee nicht weiter über Mord unterhalten. Das ist doch ein arg unerfreuliches Thema.»
     
    II
     
    Nach dem Tee erhob sich Lucy.
    «Ich muss zurück», sagte sie. «Wie ich Ihnen bereits sagte, lebt gegenwärtig niemand in Rutherford Hall, der als Mörder in Betracht käme. Es gibt nur einen alten Mann, eine Frau mittleren Alters und den tauben alten Gärtner.»
    «Ich habe auch nicht gesagt, dass er dort wohnen muss», sagte Miss Marple. «Ich bin bloß sicher, dass er sich in Rutherford Hall sehr gut auskennt. Aber dem können wir nachgehen, wenn Sie die Leiche gefunden haben.»
    «Sie scheinen ganz selbstverständlich davon auszugehen, dass ich sie finde», sagte Lucy. «Ich bin weit weniger optimistisch.»
    «Ich bin überzeugt, dass Sie Erfolg haben werden, meine liebe Lucy. Sie sind so ein tüchtiger Mensch.»
    «Das mag wohl sein, aber mit der Leichensuche habe ich keine Erfahrung.»
    «Ich bin sicher, dass man dafür nur etwas gesunden Menschenverstand braucht», sagte Miss Marple aufmunternd.
    Lucy sah sie an und lachte. Miss Marple lächelte zurück.
    Am nächsten Nachmittag machte sich Lucy systematisch ans Werk.
    Sie durchstöberte Nebengebäude, stocherte in den Wildrosen, die an den alten Schweineställen emporrankten, und spähte gerade in den Kesselraum unter dem Gewächshaus, als sich hinter ihr jemand räusperte. Sie fuhr herum und fand sich Hillman gegenüber, dem alten Gärtner, der sie missbilligend ansah.
    «Passen Sie bloß auf, dass Sie nicht hinfallen und sich was brechen, Miss», warnte er sie. «Der Treppe da ist nicht zu trauen, und wo Sie da eben auf dem Heuboden waren, ist der Boden auch nicht sicher.»
    Lucy war bemüht, sich ihre Verlegenheit nicht anmerken zu lassen.
    «Sie müssen mich für sehr neugierig halten», sagte sie munter, «dabei habe ich mich nur gefragt, ob man hieraus nicht mehr machen könnte – Pilze für den Markt anbauen oder Ähnliches. Man hat das alles so schrecklich verkommen lassen.»
    «Das liegt am alten Herrn. Rückt keinen Penny raus. Ich bräuchte hier mindestens zwei Gärtner und einen Gehilfen, um alles instand zu halten, aber davon will er nichts hören. Hab schon ewig gebraucht, bis er endlich einen elektrischen Rasenmäher angeschafft hat. Er wollte allen Ernstes, dass ich den ganzen Rasen vor dem Haus von Hand mähe.»
    «Aber würden sich Reparaturen nicht auszahlen?»
    «Hier zahlt sich nichts mehr aus – das Anwesen ist viel zu verfallen. Und ihn

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