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16 Uhr 50 ab Paddington

16 Uhr 50 ab Paddington

Titel: 16 Uhr 50 ab Paddington Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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neigte oder zu viel Phantasie hatte. Außerdem schien Miss Marple daran zu glauben, dass ihre Freundin die Ereignisse wahrheitsgetreu wiedergab, und er kannte Miss Marple nur zu gut. Jedermann in St. Mary Mead kannte Miss Marple; auf den ersten Blick verhuscht und flatterig, aber in Wirklichkeit mit allen Wassern gewaschen.
    Er räusperte sich und sprach.
    «Sie könnten sich natürlich geirrt haben», sagte er, «ich sage wohlgemerkt nicht, dass dem so war, aber es ist nicht auszuschließen. Die beiden könnten sich einfach nur herumgebalgt haben – es muss nicht Ernst gewesen oder gar tödlich ausgegangen sein.»
    «Ich weiß, was ich gesehen habe», sagte Mrs. McGillicuddy verbissen.
    «Und davon lässt du dich auch nicht abbringen», dachte Frank Cornish, «selbst wenn es nicht den Anschein hat, so fürchte ich doch, du könntest Recht haben.»
    Laut sagte er: «Sie haben es den Bahnbeamten gemeldet, und Sie sind zu mir gekommen und haben es mir gemeldet. So gehört es sich, und Sie können sich darauf verlassen, dass ich dem nachgehen werde.»
    Er stockte. Miss Marple nickte sanft und zufrieden. Mrs. McGillicuddy war weniger zufrieden, sagte aber nichts. Sergeant Cornish richtete sich an Miss Marple, weniger weil er ihren Rat brauchte, als weil er auf ihre Vorschläge gespannt war.
    «Angenommen, alles hat sich so zugetragen», sagte er, «was ist Ihres Erachtens mit der Leiche geschehen?»
    «Ich sehe nur zwei Möglichkeiten», sagte Miss Marple, ohne zu zögern. «Die wahrscheinlichere lautet natürlich, dass die Leiche im Zug zurückgelassen wurde, aber das ist inzwischen fast auszuschließen, denn dann wäre sie bis zum späten Abend gefunden worden, entweder von einem Mitreisenden oder vom Bahnpersonal am Zielbahnhof des Zuges.»
    Frank Cornish nickte.
    «Ansonsten konnte der Mörder die Leiche nur aus dem Zug auf die Gleise stoßen. Dann müsste sie noch irgendwo unentdeckt an der Strecke liegen – obwohl mir das unwahrscheinlich vorkommt. Aber eine andere Möglichkeit, wie er sie hätte loswerden können, fällt mir nicht ein.»
    «Man liest manchmal von Leichen in Schrankkoffern», sagte Mrs. McGillicuddy, «aber heutzutage reist ja niemand mehr mit Schrankkoffern, nur noch mit Handkoffern, und da passt eine Leiche nicht hinein.»
    «Ja», sagte Cornish. «Ich stimme Ihnen beiden zu. Falls es eine Leiche gibt, müsste sie inzwischen gefunden worden sein oder sehr bald entdeckt werden. Ich halte Sie über alle Entwicklungen auf dem Laufenden – obwohl ich annehme, dass Sie davon aus der Zeitung erfahren werden. Natürlich ist nicht völlig auszuschließen, dass die Frau diesen brutalen Angriff überlebt hat. Sie könnte den Zug noch selbständig verlassen haben.»
    «Kaum ohne Unterstützung», sagte Miss Marple. «Und wenn, wäre es aufgefallen. Ein Mann, der eine Frau stützt und sie als krank ausgibt.»
    «Stimmt, so etwas fällt auf», sagte Cornish. «Ebenso, wenn in einem Abteil eine bewusstlose oder kranke Frau gefunden und in ein Krankenhaus gebracht wird; auch das wird aktenkundig. Ich glaube, ich kann Ihnen versichern, dass Sie schon in Kürze davon hören werden.»
    Aber der Tag verging und der nächste auch. Am Abend des zweiten Tages erhielt Miss Marple eine Notiz von Sergeant Cornish.
    «Hinsichtlich der Angelegenheit, in der Sie mich zu Rate gezogen haben, sind umfangreiche Ermittlungen angestrengt worden, jedoch ohne Erfolg geblieben. Es wurde kein Frauenleichnam gefunden. Kein Krankenhaus hat eine Frau wie die beschriebene behandelt, auch wurde keine Frau unter Schock oder mit unerklärlichen Unpässlichkeiten beobachtet, die in Begleitung eines Mannes einen Bahnhof verlassen hätte. Seien Sie versichert, dass wir nichts unversucht gelassen haben. Ich nehme an, Ihre Freundin ist Zeugin der geschilderten Szene geworden, die jedoch weit harmloser war, als es für sie den Anschein hatte.»
     

Drittes Kapitel
    I
     
    « W eit harmloser? Dummes Zeug!», sagte Mrs. McGillicuddy. «Es war Mord!» Sie sah Miss Marple trotzig an, und diese erwiderte ihren Blick.
    «Nur zu, Jane», sagte Mrs. McGillicuddy. «Sag ruhig, dass das Ganze ein Irrtum war! Sag ruhig, dass ich mir alles nur eingebildet habe! Das denkst du doch jetzt, oder?»
    «Jeder kann sich mal irren», begütigte Miss Marple. «Jeder, Elspeth – auch du. Ich glaube, das sollten wir nicht vergessen. Trotzdem glaube ich immer noch, dass du dich nicht geirrt hast… Du brauchst zwar zum Lesen eine Brille, aber deine Weitsichtigkeit

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