16 Uhr 50 ab Paddington
ist hervorragend – und das Gesehene hat dich sehr mitgenommen. Als du hier ankamst, standest du ganz eindeutig unter Schock.»
«Ich werde es niemals vergessen», sagte Mrs. McGillicuddy und schüttelte sich. «Wenn ich doch bloß wüsste, was ich jetzt noch tun kann!»
Miss Marple sagte bedächtig: «Ich glaube nicht, dass du jetzt noch irgendetwas unternehmen kannst.» (Hätte Mrs. McGillicuddy auf den Tonfall ihrer Freundin geachtet, wäre ihr vielleicht die leise Betonung des du aufgefallen.) «Du hast gemeldet, was du gesehen hast – dem Zugpersonal und der Polizei. Nein, du kannst nichts mehr tun.»
«Da bin ich aber erleichtert», sagte Mrs. McGillicuddy, «denn du weißt ja, ich möchte gleich nach Weihnachten nach Ceylon reisen – zu Roderick, und das ist ein Besuch, den ich auf keinen Fall verschieben möchte – ich freue mich schon so lange darauf. Andererseits würde ich ihn natürlich verschieben, wenn es meine Pflicht wäre», fügte sie gewissenhaft hinzu.
«Das würdest du bestimmt, Elspeth, aber wie gesagt, ich glaube, du hast dein Möglichstes getan.»
«Jetzt ist es Sache der Polizei», sagte Mrs. McGillicuddy. «Und wenn sich die Polizei dumm stellen will –»
Miss Marple schüttelte energisch den Kopf.
«O nein», sagte sie, «die Polizei stellt sich nicht dumm. Und das macht die Sache gerade so interessant, findest du nicht auch?»
Mrs. McGillicuddy sah sie leicht begriffsstutzig an, und Miss Marple sah sich wieder einmal in ihrer Auffassung bestätigt, dass ihre Freundin eine Frau mit strengen Grundsätzen und ohne jede Phantasie war.
«Ich wüsste ja zu gern, was sich wirklich zugetragen hat», sagte Miss Marple.
«Sie ist ermordet worden.»
«Gewiss, aber wer hat sie ermordet und warum, und was ist mit der Leiche geschehen? Wo ist sie jetzt?»
«Das soll gefälligst die Polizei herausfinden.»
«Ganz recht – und sie haben es nicht herausgefunden. Nicht wahr, das bedeutet doch, dass der Mann umsichtig vorgegangen ist – sehr umsichtig sogar. Weißt du, ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie er sie beseitigt hat», sagte Miss Marple und zog die Stirn in Falten. «Da bringt er in einem Anfall blinder Leidenschaft eine Frau um – es kann nicht vorsätzlich geschehen sein; niemand bringt eine Frau bewusst unter solchen Umständen um, wenige Minuten, bevor der Zug in einen großen Bahnhof einfährt. Nein, sie müssen sich gestritten haben – Eifersucht – etwas in der Art. Er erdrosselt sie – und dann steht er wie gesagt mit einer Leiche da und kommt kurz darauf an einem Bahnhof an. Was konnte er anderes machen als, wie ich schon sagte, die Leiche in eine Ecke lehnen, als schliefe sie, ihr Gesicht verbergen und so schnell wie möglich aussteigen. Ich sehe keine andere Möglichkeit – und doch muss es eine gegeben haben…»
Miss Marple hing ihren Gedanken nach.
Mrs. McGillicuddy musste sie zweimal ansprechen, bevor sie reagierte.
«Du wirst langsam taub, Jane.»
«Ein bisschen, kann sein. Die Menschen artikulieren ihre Worte nicht mehr so deutlich wie früher. Aber ich habe dich nicht überhört, sondern nur nicht zugehört, fürchte ich.»
«Ich wollte nur wissen, welche Zugverbindungen es morgen nach London gibt. Wäre dir der Nachmittag recht? Ich möchte zu Margaret, und sie erwartet mich erst zum Tee.»
«Elspeth, würde es dir wohl etwas ausmachen, mit dem Zug um 12.15 zu fahren? Wir könnten etwas früher zu Mittag essen.»
«Natürlich, und –» Aber Miss Marple ließ ihre Freundin nicht zu Wort kommen:
«Und ob es Margaret wohl etwas ausmachen würde, wenn du nicht zum Tee kämest – sondern erst gegen sieben?»
Mrs. McGillicuddy sah ihre Freundin neugierig an.
«Was hast du vor, Jane?»
«Ich schlage vor, Elspeth, dass wir gemeinsam nach London reisen und dann in dem Zug, mit dem du neulich hergekommen bist, bis nach Brackhampton fahren. Du kannst dann aus Brackhampton nach London zurückfahren, und ich würde genau wie du neulich hierher zurückkehren. Die Fahrkarten gehen selbstverständlich auf meine Kosten», betonte sie unmissverständlich.
Mrs. McGillicuddy überhörte die finanzielle Seite.
«Um Himmels willen, was erwartest du denn, Jane?», fragte sie. «Doch nicht etwa noch einen Mord?»
«Natürlich nicht», sagte Miss Marple schockiert. «Aber ich muss gestehen, ich würde mir unter deiner Führung gern den – das – das richtige Wort ist in diesem Fall gar nicht so einfach – das Terrain des Verbrechens ansehen.»
Und so kam
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