160 - Martin, Deborah - Die amerikanische Braut
seine Frau völlig aufgelöst und tränenüberströmt nach Hause schickt, nichts Besseres verdient hat als ein kurzes Abschiedsgeleit. Und das bekommen Sie gerade von mir.“
„Ich habe Abby nicht nach Hause geschickt – sie hat den Ball ohne mein Wissen verlassen und mir keine Möglichkeit gegeben, mich zu entschuldigen. Glauben Sie wirklich, dass es besser für Ihre Herrin ist, sich die ganze Nacht die Augen aus dem Kopf zu weinen, als sich eine Erklärung von der Person anzuhören, die sie überhaupt erst so weit gebracht hat?“
Mrs. Graham wirkte verunsichert. „Sie wollen sich also entschuldigen?“
„Ja. Ich weiß, dass ich mich falsch verhalten habe. Ich möchte das wieder gutmachen.“ Trotz aller Anstrengungen, seine Wut zu zügeln, gelang es ihm nur mit Mühe, seine Stimme unter Kontrolle zu halten. „Aber das werde ich kaum schaffen, wenn ich hier auf dem Gang stehe.“
„Vertrauen Sie ihm, meine Gute“, unterstützte ihn nun McFee. „Er mag zwar ein Despot sein, aber er ist auch ein Ehrenmann. Er wird Ihre Herrin anständig behandeln.“
Mrs. Graham schaute abwechselnd von Spencer zu McFee. Dann seufzte sie schwer und holte aus einer Tasche ihres Kleides zwei Schlüssel hervor. „Also gut“, flüsterte sie, „aber nur, wenn Sie ihr erzählen, dass Sie mich überwältigen mussten, um an die Schlüssel zu kommen.“
„Was für ein Gedanke“, murmelte McFee.
Spencer überließ ihn und Mrs. Graham weiter ihren kleinen Streitigkeiten. In seinem Zimmer schloss er die Verbindungstür zu Abbys Schlafzimmer auf. Als er eintrat, saß sie mit dem Rücken zur Tür auf dem Bett und blickte unverwandt in das Kaminfeuer. Mit kräftigen, sinnlichen Bewegungen bürstete sie ihr Haar, das ihr lang und seidig über die Schultern fiel. Ihre kaum verhüllten Schultern …
Spencer hatte nicht mehr an Mrs. Grahams Bemerkung gedacht, dass Abby sich schon ausgekleidet hatte. Das dünne Nachthemd aus Musselin konnte Abbys Reize kaum verbergen. Im Schein des Feuers erkannte er deutlich den Umriss ihres wohlgeformten Körpers, und das Blut pulsierte ihm durch die Adern.
Er versuchte, seine unangemessenen Reaktionen zu unterdrücken, und ging weiter in den Raum hinein. Um zu verhindern, dass irgendein beflissener Dienstbote ihn mitten in seiner Entschuldigung unterbrach, schloss er die Tür und drehte den Schlüssel einmal um.
„Was hat er gesagt?“ fragte Abby, die allem Anschein nach Mrs. Graham erwartete.
„Er meinte, dass es ihm sehr Leid tut“, erwiderte Spencer mit rauer Stimme. „Er hat auch erwähnt, dass es nicht seine Absicht war, dir den Ball zu verderben, und dass er es wieder gutmachen will.“
Mit einem Satz sprang sie vom Bett und sah ihn an. „Du!“ Blankes Entsetzen stand ihr ins Gesicht geschrieben, und sie versuchte, ihr Nachthemd am Hals zusammenzuhalten. „Wie bist du hier hereingekommen?“
„Nun, es ist mein Haus.“
Ihre Augen funkelten ärgerlich. „Wie könnte ich das vergessen.“
Schuldgefühle stiegen in ihm auf, als er ihre geröteten Augen bemerkte. „Oh Abby, ich wollte dir keinen Kummer bereiten.“
„Das hast du auch nicht.“ Ihr Mund zitterte, und sie schlang beide Arme um ihren Oberkörper. „Das habe ich mir selbst zu verdanken, weil ich mir von dir habe sagen lassen, was ich tun soll. Aber damit hat es ein Ende!“
„Ja.“ Er war bereit, alles zu tun, um den gequälten Ausdruck aus ihrem Gesicht zu vertreiben. „Wir werden fürs Erste nicht mehr auf Bälle gehen. Ich werde einen Tanzlehrer für dich einstellen, einen Privatlehrer, eine Gouvernante – was immer du willst. Und du kannst dich kleiden, wie es dir gefällt.“
„Wirklich? Auch wenn ich dann wie ein fille de joie aussehe?“ erkundigte sie sich mit sarkastischem Unterton. „Auch wenn ich nicht eine Frisur wie Evelina habe?“
„Ich habe einen Fehler gemacht – mit dem Kleid, mit der Frisur, mit allem.“ Und wenn er die nächsten Wochen zweimal täglich kalte Bäder nehmen musste – er war entschlossen, ihren Anblick fortan lächelnd zu ertragen, ganz gleich, wie aufreizend sie auf ihn wirkte.
Keines ihrer Kleider konnte schlimmer sein als das, was sie gerade trug. Das Nachthemd reichte ihr zwar bis zum Hals, aber auf dem Weg dahin schmiegte es sich behaglich an jede Rundung. Und da Abby immer noch die Arme um sich geschlungen hatte, drückte sie den dünnen Stoff noch enger an ihren Körper. Spencer konnte sogar den dunklen Schatten zwischen ihren Beinen erkennen.
Als ihm der
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