160 - Martin, Deborah - Die amerikanische Braut
Abendessen jedoch harmonisch. Spencer erwies sich sogar als unterhaltsamer Gastgeber. Er erheiterte die Kinder mit Geschichten von einer Reise nach Italien und erzählte gerade, wie er in Venedig auf einer Gondel inmitten von Schwänen gefahren war.
Als Jack verkündete, dass er keine Schwäne möge, sagte Spencer: „Ich weiß genau, was du meinst. Gott hat den Schwänen ihre Schönheit nur gegeben, damit sie ihre unglaubliche Dummheit verbergen können.“
Die Kinder brachen in Gelächter aus.
Nachdem sie auch das Zitroneneis verzehrt hatten, stand Spencer auf. „Es tut mir Leid, mich nun entschuldigen zu müssen, aber ich habe noch zu arbeiten.“ Er warf Abby einen unergründlichen Blick zu. „Würdest du bitte in mein Arbeitszimmer kommen, nachdem unsere Gäste gegangen sind?“
„Natürlich“, antwortete sie, wenngleich sie sein Verhalten beunruhigte.
Auch Clara musste etwas aufgefallen sein, denn als sie sich später mit den Kindern verabschiedete, fragte sie Abby: „Glaubst du, dass Lord Ravenswood immer noch über die Anwesenheit der Kinder verärgert ist?“
„Ganz sicher nicht. Er war sehr nett zu ihnen. Ich denke, dass er nur den morgigen Tag mit mir besprechen will.“
Aber nachdem alle gegangen waren und sie sich auf den Weg zu Spencers Arbeitszimmer machte, kehrte ihre Unruhe zurück.
Sie fand die Tür nur angelehnt. Sie schluckte, als sie Spencer erblickte, der zwischen dem Kaminfeuer und seinem massiven Mahagonischreibtisch stand und Jacke und Weste abgelegt hatte.
Spencer so unförmlich gekleidet zu sehen war ungewohnt. Seine Halsbinde hatte er ebenfalls gelöst, und das stimmte Abby nachdenklich. Außerhalb seines Schlafzimmers achtete Spencer immer auf angemessene Kleidung.
Eine Vorahnung beschlich sie. Auf was für dumme Gedanken sie kam! Sie hatte sicher nichts von ihm zu befürchten. Warum sollte er es sich nicht in seinen eigenen vier Wänden bequem machen?
Allerdings hatte er sie noch nie hemdsärmelig zu einer Unterredung empfangen.
Durch den Spalt in der Tür beobachtete sie Spencer und versuchte seine Stimmung zu ergründen. Aber obwohl er ihr das Profil zuwandte, verrieten ihr sein markantes Kinn und der ernste Zug um den Mund nur wenig. Spencer wirkte einfach nur nachdenklich. In der einen Hand hielt er ein Glas, in dem er ein dunkles Getränk schwenkte, und in der anderen … einen Guckkasten.
„Komm herein, Abby“, sagte er, ohne sich umzudrehen.
Sie fuhr zusammen. Das Blut pochte ihr in den Ohren, als sie die Tür ganz öffnete und das Zimmer betrat.
„Schließ die Tür hinter dir ab.“
Sein knapper Befehl verursachte ein beklemmendes Gefühl in ihrem Bauch. Vielleicht hatte sie doch etwas zu befürchten … „Warum?“
„Ich will nicht, dass einer der Diener unsere private Unterredung stört.“
„Oh.“ Das erschien vernünftig, aber dennoch zitterten ihre Hände, als sie die Tür hinter sich schloss und den Schlüssel umdrehte.
Spencer hatte sein leeres Glas auf dem Schreibtisch abgestellt. Das Kaminfeuer warf flackernde Schatten auf seinem Gesicht, was Abbys Gefühl der Bedrohung nur steigerte.
Wie immer stellte sie sich jedoch mutig ihren Ängsten. „Du wolltest mich sprechen.“
„Ja.“ Spencers Blick war auf den bemalten Kasten gerichtet. „Du magst Kinder, nicht wahr?“
„Natürlich! Wer tut das denn nicht?“
Er schaute sie an und zog eine Augenbraue hoch.
„Versuch nicht, mir zu erzählen, dass du sie nicht magst“, fuhr sie deshalb schnell fort. „Ich glaube dir das nicht mehr, seit ich dich mit den Kindern erlebt habe. Du warst sehr mitfühlend und unterhaltsam …“
„Ich kann gute Miene zum bösen Spiel machen“, unterbrach er sie.
„Unsinn. Du hättest jederzeit in deinen Club gehen können. Aber du bist geblieben. Niemand, der Kinder nicht mag, würde ihnen lustige Geschichten erzählen oder sich gefallen lassen, dass sie auf ihm herumklettern.“ Abby verschränkte die Arme vor der Brust. „Du kannst ruhig zugeben, dass du ihre Anwesenheit sehr genossen hast.“
Langsam hob er den Kopf und sah Abby mit unergründlichem Blick nachdenklich an. „Hast du sie deshalb hierher gebracht? Um mein Verhalten zu testen?“
Abby fühlte ihre Beklemmung stetig zunehmen. „Nein! Ich … ich brauchte doch ihre Hilfe.“
„Und deshalb hast du ein großes Abendessen für sie geplant? Mit lauter Gerichten, die ihnen schmecken würden – und mir auch?“
„Ich … nun, ich konnte einfach nicht glauben, dass du es ernst meinen
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