1600 - Willkommen im Hades
und plötzlich zog sich in ihrer Brust etwas zusammen.
Was sie da sah, war kein Mensch, obwohl es im ersten Moment danach ausgesehen hatte.
Die Flocken fielen wie ein Vorhang. Der war aber nicht so dicht, als dass sie nicht das Besondere und zugleich Unheimliche gesehen hätte, was diese Gestalt ausmachte.
Zwei rote Punkte in Augenhöhe.
Glühende Augen?
Und dann wurde diese seltsame Stille, in der zuvor nur das leise Rieseln der Flocken zu hören gewesen war, wenn sie auf den Boden trafen, von einem anderen Geräusch unterbrochen.
Es war ein hässliches Fauchen, vermischt mit einem bösen Knurren. Die Gestalt war fast menschengroß, und Lisa Eichler sah zwei lange Arme mit schrecklichen Krallen an den Händen.
Hände wie Greifer, die tödlich sein konnten, schoss es ihr in diesem Augenblick durch den Kopf.
Mehr nicht.
Denn das Untier stieß sich ab und sprang auf sie zu.
Verfehlen konnte es die erstarrte Frau nicht…
***
»Immer diese Weihnachtsfeiern«, beschwerte sich Sheila Conolly. »Ich bin es bald leid.«
»Reg dich doch nicht auf, es ist bald vorbei. Noch eine, dann haben wir es geschafft.« Ihr Mann Bill hatte mit leicht schwerer Zunge gesprochen.
Im Gegensatz zu Sheila, die fuhr, hatte er dem Glüh-und Rotwein zugesprochen und befand sich jetzt in einem Zustand, wo ihn nur noch das Bett locken konnte.
Die Feier war noch weitergegangen, aber beide hatten gemeint, dass Mitternacht eine gute Zeit war, um sich zu verabschieden. So hatten sie sich in den Wagen gesetzt und auf den Heimweg gemacht.
Sheila war längst in die Straße eingebogen, in der sie wohnten, und so musste sie nur noch wenige Meter fahren, um das Grundstück zu erreichen, auf dem ihr Haus stand.
Per Fernbedienung öffnete sie das Tor. Sie fuhr durch den großen Vorgarten auf den Bungalow zu, der nicht im Dunkeln lag. Johnny war zu Hause. Er hatte an einigen Stellen das Licht eingeschaltet, das einen warmen Schein abgab.
Auf dem Weg zum Haus gähnte Bill zweimal. Als er ausstieg, musste er wieder seine Hand vor den Mund halten, und er sah, dass Sheila den Kopf schüttelte.
»Bist du müde?«
»Kann man wohl sagen.« Bill grinste sie über das Autodach hinweg an.
»Ich glaube, da hat mir jemand etwas in den Rotwein getan, meine liebe Sheila.«
»Aha, so ist das also.«
»Ja, so ist es.« Bill hakte sich bei seiner Frau ein.
»Kann es nicht sein, dass du älter geworden bist und nicht mehr so viel verträgst?«
»Ich doch nicht.«
»Klar, du solltest dich mal im Spiegel sehen.«
»Lieber nicht.«
Ihre Ankunft war von Johnny bemerkt worden, deshalb hatte er auch die Tür geöffnet.
»He, Dad, war es ein schwerer Abend?«
»Ach, es ging.«
»Dabei solltest du fit sein.«
Sheila war der Unterton in der Stimme ihres Sohnes nicht entgangen.
»Wieso? Ist etwas passiert?«
»Ich denke schon. Aber nichts Schlimmes.«
»Was denn?«
»Wir müssen in Dads Arbeitszimmer.«
Bill war nicht so abgeschlafft, dass er nichts mehr mitbekommen hätte.
Er war auch in der Lage zu denken und fragte: »Was ist denn los, Johnny?«
»Du hast Fotos gemailt bekommen.«
»Ach.« Er drückte seine Finger gegen die Stirnseite. »Und von wem sind die Aufnahmen?«
»Die Frau heißt Anna Eichler.«
Bill winkte ab. »Kenne ich nicht.«
Sheila stieß ihren Mann an. »Natürlich kennen wir sie.«
»Ach - und woher?«
»Anna Eichler ist eine Fotografin. Wir haben sie mal auf einem Konvent kennengelernt und einige schöne Stunden gemeinsam verbracht. Damals bist du noch besser in Form gewesen.«
Bill sagte nichts. Einige Sekunden verstrichen im tiefen Schweigen, dann drehte sich Bill um. Er zog seine Jacke aus und erklärte, dass er zunächst mal einen Schluck Wasser brauchte. Mit leicht unsicheren Schritten bewegte er sich in Richtung Küche.
»Der hat aber geladen«, meinte Johnny.
»Das kannst du laut sagen.«
»Was hat es denn gegeben?«
»Glüh-und Rotwein.«
Johnny verzog das Gesicht. »Eine perverse Mischung. Die hätte mich auch von den Beinen gehauen.«
Sheila hob die Schultern und fragte, was denn mit den gemailten Fotos war.
Daraufhin zeigte Johnny ein bedenkliches Gesicht. »Ich will ja nicht unken, aber nette Motive sind es nicht eben. Die Bilder zeigen ein grässliches Monster.«
»Was?«
»Ja, ein regelrechtes Untier mit rot glühenden Augen und…«
Bills Stimme unterbrach ihn. »Ich hoffe doch sehr, dass ihr nicht über mich sprecht.«
»Bestimmt nicht, Dad.«
Der Reporter blieb stehen und schüttelte den
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