1601 - Die wilde Schlacht
Mein Gesicht zeigte einen angespannten Ausdruck. Zudem fuhr mir noch ein anderer Gedanke durch den Kopf.
Was war, wenn dieser Mörder nicht allein gekommen war und noch eine zweite oder dritte Gestalt dazugehörte?
Gesehen hatte ich keinen, doch der Gedanke wollte mich nicht loslassen.
Ich ging mit schnellen Schritten auf die Sakristeitür zu und hatte sie noch nicht erreicht, da gellte mir aus dem Kirchenschiff ein Frauenschrei entgegen…
***
Anna Eichler war allein zurückgeblieben. Sie hatte es letztendlich nicht anders gewollt, aber sie konnte nicht behaupten, dass sie sich in ihrer Lage wohl fühlte.
Die Kirche, die einem Menschen Trost und Sicherheit hätte geben sollen, kam ihr jetzt kalt und fremd vor, sogar feindlich.
Sie wollte nicht unbedingt von Angst sprechen, die sie in den Klauen hielt, aber ein ungutes Gefühl war schon vorhanden, das wollte nicht weichen. Obwohl sich John Sinclair nicht weit von ihr entfernt befand, kam sie sich hilflos und ungeschützt vor.
Sie hörte aus der Sakristei keine Stimmen. Wäre der Pfarrer dort gewesen, hätte er sich bestimmt mit dem Mann aus London unterhalten.
Aber es war alles ruhig geblieben und John war auch nicht zu ihr zurückgekehrt.
Warum nicht?
Der Gedanke wurde unterbrochen, als sie in der Kirche ein Geräusch hörte, ein fremdes. Es stammte nicht von ihr, aber es war eigentlich auch niemand da.
Eigentlich…
Anna ging davon aus, dass sie sich nicht getäuscht hatte. Sie drehte sich auf der Stelle um, um etwas zu sehen, aber sie vergaß, in die Höhe zu schauen.
Plötzlich war der Luftzug da. Sie drehte sich um, und genau das hatte der Angreifer gewollt. Er befand sich jetzt hinter ihr und griff blitzschnell zu. Zwei Hände schoben sich in die Achselhöhlen der jungen Frau, dann wurde sie in die Höhe gerissen, und plötzlich schwebte sie über den Bänken.
Etwas schien ihr Herz zu umkrallen. Sie hatte nicht richtig begriffen, was mit ihr geschehen war. Erst als die Gestalt sie an ihren Armen anhob, sie dann umdrehte und auffing, wusste sie, was los war.
Sie lag in den Armen eines zweiten teuflischen Engels. Der schaute von oben her in ihr Gesicht und sie sah diese glatte Fratze, die Ähnlichkeit mit einem Fischkopf hatte.
Anna konnte nicht anders. Sie musste ihren Druck loswerden und schrie gellend auf…
***
Der Schrei war für mich ein Alarmsignal gewesen. Ich verließ so schnell wie möglich die Sakristei, war aber auch vorsichtig und sprang nicht sofort in das Kirchenschiff hinein. Ich hielt auf der Schwelle an und ließ meinen Blick über die Bänke schweifen bis hin zur Tür.
Es war nichts zu sehen. Ich schaute in ein leeres Kirchenschiff. Aber ich hatte mir den Schrei nicht eingebildet, verdammt noch mal!
Ich zog jetzt die Beretta.
Das Kreuz steckte in der Tasche. Ich fasste nicht danach, sondern suchte nach Anna und einem Feind.
Es tat sich nichts. Schritt für Schritt ging ich in die Kirche hinein, ohne Anna Eichler zu entdecken. So kam mir der Gedanke, dass sie aus der Kirche geflohen war, obwohl ich das als unsinnig ansah. Weshalb hätte sie dann schreien sollen?
Sie war noch da!
Ich sah sie nicht, aber ich konnte sie spüren. Und ich merkte, dass sie nicht allein war, sollte sie sich hier noch aufhalten. Die Idee eines zweiten Höllenengels wollte mir nicht aus dem Kopf.
»John…«
Ich zuckte zusammen, als mich die Stimme erreichte. Aber nicht nur deswegen, es lag auch an der Richtung, aus der ich die Stimme vernommen hatte.
Das war von oben!
Plötzlich verwandelte sich mein Rücken in eine eisige Fläche. Dennoch schwitzte ich an den Händen. Ein Adrenalinstoß jagte durch meinen Körper, er trieb mir das Blut ins Gesicht, als ich den Kopf in den Nacken legte, um in die Höhe zu schauen.
Ich musste zweimal hinschauen, um zu erkennen, was sich dort abspielte. Dort oben entdeckte ich ein Bild, das leider echt war.
Es gab diese zweite Kreatur. Und ihr war es gelungen, sich Anna Eichler zu schnappen. Sie hatte ihre Beute bis an die Decke gebracht und hielt sie dort umklammert.
Das würde nicht immer so bleiben. Wenn Anna losgelassen wurde und aus dieser Distanz auf den Boden prallte, würde sie es kaum überleben.
Das musste in meine Überlegungen einbezogen werden, wenn ich Anna befreien wollte…
***
Im Moment sah ich keine Chance, das in die Wege zu leiten. Alles Weitere lag in den Händen meines Gegners. Ich kannte seinen Plan nicht und tat erst mal nichts. Die Beretta senkte ich, sodass die Mündung zu Boden
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