1605 - Besucher aus dem Irgendwo
sich auf. „Mal sehen, wie es darauf reagiert!" schrie einer der Männer. „Ätzkalk!"
Die Kugel aus Zellmaterial rollte weiter, erreichte den Spalt. Einen gräßlichen Augenblick lang schien das Geschöpf am Rand zu verharren, wie nachdenklich, abwägend, aber dann rollte die Kugel weiter und stürzte hinab in die Tiefe.
In dem Augenblick, in dem sie den Boden berührte, wurde ein tiefes, gurgelndes Brodeln hörbar; der Boden geriet in heftige Schwingungen, die sich über die Magenwände bis unmittelbar in die Gefühle der Menschen fortzupflanzen schienen. Angst, Furcht, Erschrecken, ja regelrechte Panik breitete sich in den Menschen aus.
Kara Dombrowsky wandte sich ab - und erstarrte.
Sie blickte in das Gesicht von Grimes. Auf seiner Stirn war ein schwachgrüner Fleck zu sehen.
Im ersten Augenblick dachte Kara nur daran, daß Grimes einfach von irgendeinem Fetzen des explodierenden Zellmaterials getroffen worden war. Dann aber konnte sie sehen, wie sich der Fleck in Bewegung setzte. Stirnaufwärts.
Grimes spürte es; seine Augen weiteten sich in fassungslosem Entsetzen, als er begriff, was geschah.
Im nächsten Augenblick setzte er sich in Bewegung. Ehe noch Kara auch nur einen Satz hatte sprechen können, war der Mann bereits in vollem Lauf, auf den Spalt zu. „Grimes!" schrie Kara. „Nicht!"
Zu spät. Der Mann zögerte keinen Augenblick lang, er stürzte sich kopfüber in den Spalt, zusammen mit dem Flammenwerfer. Im Augenblick des Sturzes mußte er noch den Abzug betätigt haben; eine Flammensäule stieg hoch, schwarzer, stinkender Rauch legte sich über den Spalt, aus dessen Tiefe ein Laut erklang, der sich wie ein frohlockendes Gurgeln anhörte.
Kara schwankte davon. Sie ertrug diese Szene nicht länger.
Sie torkelte aus der Halle hinaus, in der der Kampf gnadenlos fortgesetzt wurde. Die Zurufe der Männer und Frauen hinter ihr, die Geräusche des Kampfes, die schauerlichen Lebenslaute des Monsters, all das wurde langsam hinter ihr schwächer und schwächer.
Aber Kara Dombrowsky wußte, daß dieses Grauen ihr folgen würde, unaufhaltsam, wohin sie sich auch wenden mochte. „Bist du ein ehrliches Gespenst, so sprich!"
Kara schrak auf.
Es war früher Morgen, über dem Land lag der schwache Schein der weit entfernten Sonne und das stärkere Leuchten der Atomsonnen; Kara legte eine Hand an die Stirn, um das Licht abzuschirmen. „Wer bist du?" fragte sie den seltsamen Mann, der in ihrer Nähe aufgetaucht war. Wahrscheinlich war er auf seinem sonderbaren Sitzmöbel hergeritten, tippte sie. „Keine Ahnung, Puppe", sagte der Fremde. Der anmaßende Tonfall dieser Anrede bewies, was Kara schon vermutet hatte; es mußte sich um einen Mann handeln. Von der Aufmachung her hätte es auch ein Clown-Robot aus einem viertklassigen Wanderzirkus sein können, aber Robots funktionierten zur Zeit nicht, außerdem bekam selbst der beste Robot mit vollsynthoplastischer Gesichtsmaske kein solches unverschämtes Grinsen hin. „Es gibt welche, die nennen mich Ennox, andere sagen Philip zu mir. Hier brennt's wohl gerade, wie? Sieht ziemlich übel aus, nicht wahr? Saumäßig übel."
Kara nickte müde. Ihre Beine schmerzten, ihr Körper war nur noch ein geschundenes Etwas. „So kann man es ausdrücken", sagte sie leise. „Wo kommst du her? Und was willst du hier?
Bringst du Hilfe, vielleicht von Reginald Bull?"
„Hey, gut geraten. Aber ich komme nicht von dem Feuerwehrmann, ich suche ihn. Man hat mir gesagt, er wäre hier auf diesem Rostplaneten, der so rot ist wie seine Haare."
Kara kniff die Augen zusammen. „Wann hat man dir das gesagt? Und wo?"
„Hey, Conchita, wir kommen nicht weiter, wenn du jede Frage von mir mit einer Gegenfrage beantwortest."
„Wirklich nicht?"
Philip stieß ein hohes, meckerndes Lachen aus. „Nicht übel", antwortete er. „Los, komm, wo ist der Rote? Ich will endlich die Geschichte zu Ende hören, den besten Witz aller Zeiten. Angeblich. Obwohl meine Witze besser sind. Willst du einen hören? Kommt ein Schnurz zu einem Schirpel und sagt..."
„Ich bin jetzt nicht in der Stimmung für Witze", sagte Kara Dombrowsky rauh. „Wir kämpfen hier um unser nacktes Leben, wie du sehen kannst."
Philip produzierte ein zweideutiges Lächeln. „Nacktes Leben? Wirklich? Aber ich kann nix sehen!"
Kara antwortete mit einer Verwünschung.
Sie hatte diese Folge von Tönen einmal einen betrunkenen Blue sagen hören. Der Fluch mußte von einer Drastik und Deftigkeit sein, die ihresgleichen
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