1605 - Besucher aus dem Irgendwo
verbissen und ein Knirschen und Bersten anzeigte, daß die Transportkäfige der Tiere von den Ranken und Trieben erfaßt worden waren, brodelte das feuchte Knistern des Monstefs den Menschen entgegen. Es war ein Klang, der das Gemüt bis ins Mark erschütterte, einem von grenzenloser Gier durchsetzten Schlürfen und Schmatzen nicht unähnlich, und was die letzten Lebenssekunden der Frösche und Hühner begleitete, galt auch für die Menschen: War die Aussicht zu sterben schon schwer zu ertragen, so war der Gedanke, dieser Kreatur des Grauens im Sterben als Nahrung zu dienen, selbst für stabile, in sich gefestigte Charaktere kaum zu ertragen.
Kara Dombrowsky spürte, wie bei diesem Klang abermals ihr Magen revoltierte. Grimes Kustyn ließ den Flammenwerfer sinken, als das Knacken und Knirschen zu hören war, mit dem die Sheravyl-Kreatur lebende Delikatessen im Wert eines Kleinraumschiffs in sich hineinschlang. „Gräßlich!" stieß Kara hervor. „Großer Gott, womit haben wir das verdient?"
Eine neue Salve schlug dem Monster entgegen. Aus dem Hintergrund kamen Männer herangekeucht, die armdicke Kabel mit sich schleppten und bei jedem Schritt ächzten. Die Kabel waren schwer, es waren jeweils sechs Männer vonnöten, um sie heranzuschaffen. „Wunderbar!" freute sich Kara. „Das rote nach rechts. Und das dicke blaue Kabel nach links.
Haben wir Energie?"
Einer der Männer nickte. Sein Gesicht war kaum zu erkennen, eine Maske aus Schweiß und Blut und Rauch, das Ergebnis eines ganznächtigen Kampfes gegen das Sheravyl-Monster. Aber in dem Gesicht waren weiße, blitzende Zähne zu erkennen, die ein verwegenes Grinsen anzeigten. „Haben wir, Kara. Mehr als genug. Aber nicht für lange. Wir kriegen für zehn Minuten allen Saft, den das Kraftwerk erzeugen kann. Wenn das klappt, dann werden die Fernleitungen von den anderen Kraftwerken auf dem Mars zusammengeschaltet und auf uns gelegt. Wir haben dann alle Energie, die der Mars nur produzieren und dafür entbehren kann."
„Und wenn es nicht klappt?" rief Kara zurück; sie strich sich die schweißverklebten Haare aus der Stirn. Es war furchtbar heiß in der Halle, die Luft war kaum zu ertragen; der Gestank nach dem Brandöl, die schmorenden Rückstände der vernichteten Teile des Monsters, Ausscheidungen und der sehr eigentümliche Geruch nach vergossenem Blut erfüllte den Raum und machte das Atmen zur Qual. „Was haben wir dann?"
„Keine Chance mehr!" rief der Mann zurück. „Los, Jungs, faßt mit an! Wir schaffen es!"
Die Männer wuchteten die schweren Kabel näher an das Monster heran.
Zum Glück besaß die Bestie nicht den leisesten Funken Intelligenz. Ihr Lebensprogramm beschränkte sich auf zwei Begriffe: wachsen und fressen. Und das tat die Kreatur.
Unablässig wuchernd, unterminierte sie den Boden, schob sich in die Höhe, sprengte den Boden und brachte selbst stabile Gebäude zum Einsturz. Und was immer sich an Leben und organischem Material in diesen Trümmern fand, wurde von der Kreatur erfaßt, verschlungen und dem eigenen Metabolismus einverleibt.
Die Zahl der Toten war noch gering - sie lag unter hundert. Aber das Risiko für die Siedlung wuchs mit jeder Stunde.
Den Mars umkreisende Satelliten hatten Aufnahmen der Sheravyl-Region gezeigt, aber nur für Eingeweihte. Dem allgemeinen Publikum waren die Bilder nicht zugänglich gemacht worden.
Sie zeigten, daß die Siedlung Sheravyl vollständig eingeschlossen war. Das Sheravyl-Monster hatte seine Beute umschlungen, eingekesselt und breitete sich in alle Richtungen weiter aus, während es gleichzeitig das Areal in seinem Innern zu absorbieren versuchte.
Hilfe von außen war nicht zu erwarten.
Zum einen hatten die Marsianer in den anderen Regionen mehr als genug zu tun, sich das Monster selbst vom Hals zu halten; zum anderen machte es der Mangel an geeigneten Transportmitteln nahezu unmöglich, dem heranschleichenden Tod in Grün eine angemessene Verteidigung entgegenzusetzen. „Okay, Leute, wir sind jetzt soweit. Ihr könnt euch zurückziehen."
Das hintere Drittel der Halle war für die Menschen nicht mehr zu sehen; ein grüner, wabernder Teppich bedeckte Boden, Wände und die Decke. Nur mit Mühe korinte man unter diesem Grün vage die Kontüren von Metallfassern erspähen, von stillgelegten Fahrzeugen und technischen Geräten, die jetzt niemandem mehr nutzten.
Das Bild machte augenfällig, welches Schicksal Sheravyl - und wenig später dem gesamten Mars - beschieden sein würde, wenn es
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