Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1610 01 - Der letzte Alchimist

1610 01 - Der letzte Alchimist

Titel: 1610 01 - Der letzte Alchimist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
Vom Netzwerk:
Southwark gelernt hatte. Wo konnte ein Mann wohl unterkommen, ohne die Aufmerksamkeit der Behörden zu erregen?
    Wir waren schon ein gutes Stück weit gekommen, und ich wusste nicht mehr so recht, wo wir eigentlich waren, als ein schlecht gekleideter Mann zu Pferd uns zubrüllte: »Macht Platz!«
    Sein graues Pferd drehte sich auf der schmalen Straße. Ich trat zur Seite und wurde so mehrere Schritt von Monsieur Saburo und Mademoiselle Dariole getrennt.
    Die anderen Passanten stießen gegen mich, atmeten mir ins Gesicht und drückten mich gegen die Wand eines Gebäudes. Das Gebäude ähnelte einem Turm mit seinen glatten Wänden; nur war es deutlich breiter und eckig anstatt rund. Die Engländer nennen so etwas ein ›Schauspielhaus‹. Um ein echtes Theater zu bauen, fehlt ihnen schlicht der Kunstverstand.
    Ich blickte über die Köpfe der Menge hinweg und sah, wie Dariole und der Samurai von den Menschen enger zueinander gedrängt wurden.
    Als ich versuchte, zu ihnen zu gelangen, geriet ich in einen Strom von Menschen, die in das Schauspielhaus drängten. Der Zufall wollte es jedoch, dass ein weiterer fluchender Reiter auf einer braunen Stute mich ein, zwei Schritt zurückdrängte.
    Eine Frau in Blau trat hinter der Theatermauer hervor und vor mich.
    Sofort hatte ich die Hand am Dolch; für das Rapier war es in der Menge viel zu eng. In meinem Leben habe ich schon alle möglichen Arten von Huren gesehen. Diese englische Hure war ungefähr so alt wie ich. Die ist nun wirklich nicht mehr voll im Saft. Vermutlich dient sie nur noch als Ablenkung für einen Beutelschneider.
    Sie sagte etwas. Ich ließ meinen Blick über die Männer und Frauen schweifen, die mir am nächsten waren.
    So leise, dass ich sie in dem allgemeinen Geplapper kaum hören konnte, sagte sie: »Ich würde gerne mit Euch sprechen, Monsieur Rochefort.«
    Habe ich da gerade gehört, wie …
    Ihr Kleid und ihr Mieder waren in dem für das einfache Bürgertum typischen Blau gefärbt. Schwarzes Haar lugte aus ihrer Haube hervor, das an den Schläfen bereits grau wurde, und ihre Haut war so blass, wie es typisch für einen Iren ist. Ich blickte ihr in die Augen. Ich hatte blaue erwartet, doch sie waren dunkelbraun. Ich legte den Dolch in die linke Hand und die rechte auf das Heft meines Schwertes.
    »Mit wem wollt Ihr sprechen?«, entgegnete ich in gespielt verwirrtem Ton, während ich mir gleichzeitig aufmerksam die Männer in der Umgebung anschaute.
    »Mein Name ist Aemilia Lanier, und Ihr seid Valentin Raoul Rochefort.« Ihr Französisch war recht passabel. »Macht Euch keine Sorgen, Monsieur. Ich komme nicht von Königin Maria.«
    Ich trat zur Seite und wirbelte herum, so weit ich konnte … und ein Holzknüppel traf mich auf die Schulter und betäubte meinen rechten Arm bis in die Fingerspitzen. Meine Hand glitt vom Schwert.
    Im selben Augenblick wurde ich von einem zweiten Knüppel auf den Kopf getroffen, unmittelbar hinter dem Ohr, und ein weiterer Mann packte meine Hand und nahm mir den Dolch aus den Fingern.
    »Es hat funktioniert!«, rief eine Männerstimme neben mir. Er klang erstaunt. »So ein großer Mann, aber schaut ihn euch jetzt nur an!«
    Ich verlor nicht das Bewusstsein, doch die Kraft wich aus meinen Beinen. Zwei oder drei Männer packten mich unter den Armen und um den Leib, und die Frau in Blau – Lanier? Ich kenne diesen Namen nicht – nickte zufrieden und ging davon. Benommen taumelte ich im Griff der Männer fort von dem Schauspielhaus und in die schmalen Straßen der Bankside.
    Ich bin es gewohnt, ein Mann der Gewalt zu sein, der jenseits der Welt existiert, in der Gewalt normalerweise nicht vorkommt. Die beiden Männer, die mich nun stützten wie einen Betrunkenen, und die drei hinter ihnen sahen jedoch ganz und gar nicht wie Straßenschläger oder Duellanten aus – eher wie Ladenbesitzer, dachte ich benommen. Und die Frau? Als Frau eines Kaufmanns gab sie vermutlich eine bessere Figur ab denn als Hure! Was ging hier vor?
    Der Schlag hinter mein Ohr war gut gezielt gewesen. Ich schluckte das Verlangen hinunter, mich zu übergeben, das für gewöhnlich mit Kopfverletzungen einhergeht.
    Pech, dachte ich benommen. Und Glück im Unglück: Das sind keine berufsmäßigen Räuber und Diebe!
    Ich habe in meinen Hut einen Stahlring eingearbeitet, der den Hut verstärkt und fast die Funktion eines Helmes erfüllt. Ohne Zweifel war das von einem Mann erfunden worden, dem man einmal zu viel auf den Kopf geschlagen hatte. Natürlich hilft

Weitere Kostenlose Bücher