1610 02 - Kinder des Hermes
beschützen.
»Können wir jetzt weiter? Seid Ihr fertig?« Ein wenig gereizt blickte ich zu der jungen Frau hinunter. »Oder hattet Ihr als kleines Mädchen vielleicht nicht genügend Anziehpuppen?«
»Ah, Messire, wie Ihr Euch denken könnt, habe ich mehr mit den Sachen meiner Brüder gespielt …«
Wir lächelten einander an.
Wir folgten James Stuart und dem Samurai und erreichten schließlich einen Teil des Weges, der von Eichen und Ulmen überschattet wurde. Das war die erste Deckung seit einer Stunde.
Zu den Dingen, die ich nicht über Frauen wusste, gehörte – wie ich erkennen musste – die Wirkung, welche die englische Junisonne auf mein glattrasiertes Gesicht und die entblößten Schultern hatte. Als wir in den Schatten traten, blickte ich auf meine stark gerötete Haut.
Immerhin ist es nur die englische Sonne, und die ist nicht annähernd so stark wie die in Frankreich. Eigentlich habe ich sogar eine ganz gesunde Farbe … Die rote Haut war deutlich von der weißen am Rand meines Mieders getrennt, wie durch eine Linie. Ich zog den Handschuh aus, um zu fühlen, wie heiß sie war.
»Seht Ihr?« Dariole grinste. »Wärt Ihr eine sittsame Frau und kein Schauspieler, hättet Ihr ein schützendes Tuch …«
Es gelang mir, eisig zu klingen. »Das hättet Ihr mir auch früher sagen können.«
»Ja ja, jetzt tut Ihr so, als würdet Ihr nicht wissen, was Frauen tragen.« Sie stupste mich mit dem Finger an und zwar genau dort, wo ich erwartet hatte: mitten auf meine sonnenverbrannte Brust. Da ich jedoch damit gerechnet hatte, vermochte ich, ihr die Befriedigung zu verweigern, mich zusammenzucken zu sehen.
»Ich habe in der Tat schon so manche Maid vom Lande verführt, Mademoiselle …«
… und deshalb hätte ich mich auch an die weißen Tücher erinnern müssen, die sie sich über Schulter und Brust legten und am Hals mit Nadeln zusammensteckten, um ihre nackte Haut zu schützen … nur dass ich stets geglaubt hatte, diese Tücher dienten nur dazu, vor den Augen der Männer zu verbergen, was sie anzubieten hatten.
Irgendetwas in der Luft – die Art, wie sie sich bewegte, der Geruch – ließ mich vermuten, dass wir uns bis auf wenige Meilen dem Meer genähert hatten. Mein Rücken juckte. Ich konnte nicht anders, als mich ständig umzuschauen. Doch nach wie vor sah ich nirgends eine Spur von den Männern des Prinzen.
»Sie müssen uns verpasst haben und direkt nach Bristol weitergeritten sein«, bemerkte Dariole, als könne sie meine Gedanken lesen.
»Heinrichs Soldaten? Ja, es ist durchaus möglich, dass sie dort auf uns warten, und vielleicht setzen sie dabei auch noch Cecils restliche Soldaten gefangen, die dort stationiert sind.«
Ob Lord Cecil noch lebt? Werde ich weiterhin Zugriff auf die Berichte seiner Informanten haben? Oder hat Spofforth Recht? Spofforth … Ich würde mein letztes Geld darauf verwetten, dass er schon tot ist …
Dariole hob den Kopf und blickte mir in die Augen. »Vielleicht hat Robert Fludd sich inzwischen Heinrichs Männern angeschlossen. Vielleicht stellt er gerade Gleichungen auf, um zu errechnen, wo wir sind. Vielleicht hat er das schon vor zehn Jahren gemacht! Ich hasse die Vorstellung, dass, egal was wir tun, er schon früher daran gedacht haben könnte! Ich wünschte, Suor Caterina würde noch leben.«
Dem konnte ich nicht widersprechen. Caterinas Verlust schmerzte mich immer noch. Sie hatte so lange in Dunkelheit und Einsamkeit gewartet, und dann war ihre Rolle nur so kurz gewesen …
Dariole fügte verzweifelt hinzu: »Oder ich wünschte mir zumindest irgendeinen anderen der Giordanista!«
Offensichtlich hatte Dariole in Wookey des Öfteren die Gesellschaft der alten Italienerin gesucht und mit ihr gesprochen – wie auch Monsieur Saburo.
»Brunos Studenten sind fort: entweder verrückt oder tot«, sagte ich.
»Alle außer Fludd.« Dariole verzog das Gesicht. »Ich hoffe, er weiß, dass ich am Leben bin. Ich hoffe, er schläft mit zwei geladenen Pistolen neben dem Kissen. Ich hoffe, ich beschere ihm Albträume.«
Ich stand kurz davor zu bemerken, dass dies in der Tat möglich war. Mir hatte sie jedenfalls schon genug unruhige Nächte beschert.
Darf ich nun so unernst mit dir sein?, dachte ich. Wunden heilen – jedenfalls an der Oberfläche. Dariole war noch dieselbe junge Frau, die vor zwei Monaten auf der St Willibrod nach London gekommen war, zumindest äußerlich.
Wenn ich könnte, würde ich sie vor allem Übel beschützen.
Und gleichzeitig sehne
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