1610 03 - Soehne der Zeit
habe. Ich habe nicht geglaubt, dass Ihr gut genug sein würdet, mich zu töten. Nun bin ich froh, dass ich mich geirrt habe.«
Dariole starrte ihn nur an. »Ich verstehe nicht.«
Saburo streckte die Hand aus und berührte ihre Wange mit seinen blutverschmierten Fingern. »Ihr drei seid allesamt gaijin. Wie wird das also für Hidetada aussehen? Ein Samurai ist ermordet worden, und drei gaijin sind weggelaufen. Offensichtlich sind sie alle drei schuldig. Wie können wir diesen Fremden also vertrauen? Fürst Hidetada wird jeden Antrag unterstützen, sämtliche gaijin, kirishitan und Jesuiten zu unerwünschten Personen in Nihon zu erklären, vielleicht für immer. Und in vierhundert Jahren wird der Feuerregen uns nur noch leicht berühren, wenn überhaupt.«
Ich wusste, dass ich später über seine Worte nachdenken würde. Nun konnte ich jedoch nur benommen zuhören und die zitternde Dariole festhalten.
»Ich habe Euch getötet!«, sagte sie.
»Ja. Danke«, wiederholte Saburo. »Jetzt werden Fürst Hidetada und Fürst Ieyasu das Land schließen, wie Fürst Ieyasu es schon immer gewollt hat. Ieyasu wird auf ewig mein Herr sein. Ihr habt mich getötet, Dari-ko, damit ist meine Schuld beglichen. Seit jenem Tag am Strand habe ich Euch mein Leben geschuldet.«
Dariole starrte ihn außer sich an. »Nein!«
»Es ist schon komisch, kleiner weißer Fuchs«, sagte Saburo. Außer an den Händen und Füßen bewegte sich sein Leib nicht mehr. Es waren kleine, stete Bewegungen. Schmerz.
»Komisch«, wiederholte Saburo. »Auf der Fahrt hierher habe ich Furada bei seiner Mathematik beobachtet. Er hat mir genau gesagt, wo ihr alle gewesen seid. Er hat mir gesagt, wie ich kämpfen soll. Er hat mir gesagt, dass wir an diesem Tag kämpfen können, hier und jetzt … weil seine Berechnungen ihm gesagt haben, dass ich gewinnen würde.«
Voller Verachtung warf er einen Blick zu Fludd.
»Ihr seid geschickt«, sagte er und wandte sich wieder an Dariole. »Ich bin nur ein bescheidener Hauptmann der ashigaru, aber kein schlechter Schwertkämpfer. Wie kann Furada jeden Hieb in einem Kampf voraussehen? Dazu brauchte er sicherlich mehr als nur drei Viertel eines Jahres!«
»Dazu braucht es zehn Jahre«, sagte ich. »Oder zumindest hat es ihn beim letzten Mal so viel Zeit gekostet.«
»Eh?«
»Egal.« Ich schüttelte den Kopf. »Fludd hat Gründe, Dariole und mich loswerden zu wollen.«
»Ich habe ihn einen Boten zu Euch schicken lassen. Ich wusste, dass er versagen würde.« Saburo machte eine Bewegung, die ein Schulterzucken hätte sein können, und Schweißperlen erschienen auf seiner Stirn. Einen Augenblick lang starrte er vor sich hin, dann redete er mit fester Stimme weiter.
»Von meinen Männern hier spricht niemand die Sprache der namban. Sie haben den Befehl zu bezeugen, was sie sehen: einen Streit zwischen Furada und anderen gaijin und die Ermordung ihres Hauptmanns. Sie werden jedoch nicht sagen, dass vor der Küste ein Schiff liegt, das nach Goa segelt – auf meinen Befehl.« Plötzlich grinste er breit. »Ich schulde Euch ein halbes Pferd, Roshfu! Ihr werdet Euch mit dem Schiff zufrieden geben müssen.«
Ich dachte an den Strand in der Normandie zurück. »Ja, das werde ich wohl.«
Saburo fügte hinzu: »Ihr werdet auch gehen, Dari-ko. Die gaijin sollen diskreditiert, nicht getötet werden. Ich will Euch und den großen Samurai hier nicht am Kreuz sehen wie gemeine Verbrecher.«
Dariole schauderte vor Schmerz und Schock und vor allem vor Trauer. Tränen rannen ihr stumm über die Wangen.
Saburos Augen bewegten sich. Ich glaubte, er wollte noch einmal das Blau des Meeres und den Wind in den Pinien sehen. Dann schaute er mir in die Augen.
»Jetzt verstehe ich, warum ich nicht gestorben bin, als mein Herr Kobayakawa Hideaki fiel. Ich bin zurückgelassen worden, um diese eine große Aufgabe zu beenden. Jetzt kann ich in Frieden sterben und stets hoffen, noch ein Nihon zu finden, wenn ich wiedergeboren werde. Vielleicht zusammen mit dem Geist von Fürst Hideaki. Man muss seinem Herrn stets treu sein, Roshfu.«
»Ich weiß.«
Sein Tonfall veränderte sich, wurde hart und sachlich. »Ich will Furada hier nicht tot sehen. Das würde die Dinge nur verkomplizieren. Nehmt ihn mit Euch. Dari-oru, tötet ihn, wenn Ihr weit weg von Nihon seid. Geht! Nehmt ihn!«
Die Dringlichkeit in seiner Stimme ließ sie aufstehen. Sie schwankte, krümmte sich über dem blutenden Arm, aber sie stand. Sie nickte, als wären die Verneigungen der
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