1610 03 - Soehne der Zeit
kreischte er so laut und hoch wie die Seemöwen; allerdings konnte ich nicht sehen, wie die Männer ihm wehtaten.
Saburo stützte sich auf die Ellbogen.
Der Schweiß rann ihm über die Stirn. Seine Kleider waren blutdurchtränkt, und Blut sammelte sich im Sand unter ihm. Er schaute an sich hinunter.
»Ein Schnitt wie beim seppuku.« Trotz der glasigen Haut und des Schweißes lächelte er. »Danke … Dari-ko.«
Darioles Gewicht glitt mir aus der Hand. Sie ließ sich auf die Knie sinken, um zu dem Samurai zu kriechen.
Die Benommenheit wich von mir, und ich packte sie wieder unter den Armen, hob sie hoch und half ihr zu ihm hinüber. Vor Saburo sank sie wieder auf die Knie.
Der hashagar- Offizier kroch vorwärts, um sich hinter Saburo zu knien und ihn zu stützen. Dariole, die in sich zusammengesunken war, erwiderte: »Danke? Wie könnt Ihr Euch nur bei mir bedanken?«
»Das ist eine ehrenhafte Wunde, ein ehrenhafter Tod.« Saburo machte eine Kopfbewegung, als wolle er sich verneigen. Ich sah, wie er die Fingernägel in die Handflächen grub.
»Gabriel, haben wir etwas zu trinken?«
Gabriel stand auf und sah sich nach unseren Pferden um. Der Samurai schüttelte den Kopf.
»Ich brauche nichts.«
»Warum helft Ihr ihm nicht?« Dariole starrte über Saburos Kopf hinweg zu dem Offizier. »Warum holt Ihr keinen Arzt?«
»Weil er stirbt und keine Zeit mehr dafür ist«, sagte ich.
»Doch, da ist noch Zeit«, widersprach mir Saburo.
Ich schaute ihn an, entsetzt und hoffnungsvoll zugleich. »Meint Ihr damit, dass wir noch Hilfe holen können?«
Saburo schüttelte den Kopf. »Die yamabushi Kata-rii-na. Sie hat mir gesagt, dass ich nach dem tödlichen Stoß noch zehn Stunden leben könne. Ich bitte Euch nun, mein Sekundant zu sein, sobald ich fertig bin. Eine Bauchwunde ist ein schlimmer Tod.«
Stumme Tränen rannen Dariole über die Wangen. Sie presste die rechte Hand auf den Mund, während die linke schlaff herabhing und Blut von den Fingerspitzen tropfte.
Falten erschienen um die Augen des Samurai. »Bis jetzt habe ich nicht gewusst, dass Ihr es sein würdet, kitsune , kleiner weißer Fuchs. Ich hätte nicht gedacht, dass Ihr gut genug dafür seid, Dari-ko. Ihr wart Samurai! Vergesst nicht, dass niemand einen Mann aufzuhalten vermag, der keine Angst vor dem Tod hat.«
Der Wind wehte kalt gegen meine Brust. Ich dachte darüber nach, auch mein shitage zu opfern, um Saburo das Blut vom Bauch zu wischen. Bereits jetzt war deutlich zu erkennen, dass ihm langsam die Eingeweide in den Schoß quollen. Es gibt keinen Grund, ihm unnötig Schmerzen zuzufügen.
»Auch ich würde unter diesen Umständen um den Gnadenstoß bitten.« Ich kniete mich neben Dariole, legte den Arm um ihre Schulter und hielt sie fest. »Mademoiselle, lasst den Mann sprechen.«
Saburo nickte mir zu.
Dariole schrie aus Leibeskräften: »Warum?«
Ich spürte, wie sie schauderte, und verstärkte meinen Griff. Der Blutverlust und die Trauer arbeiteten gemeinsam auf ihren Zusammenbruch hin; nur dank ihrer Willenskraft hielt sie sich noch aufrecht und starrte den Samurai weiter an.
»Ihr müsst verstehen … das alles … war mein Plan.« Saburo hielt kurz inne. Sein Zögern war der einzige Hinweis darauf, welche Schmerzen er ertragen musste.
Der Offizier öffnete einen Wasserbehälter aus Bambus und hielt ihn seinem Herrn an die Lippen. Saburo trank.
»Ich habe Kata-rii-na nach mehr Dingen gefragt, als ich Euch erzählt habe. Nun werdet Ihr und Roshfu die Einzigen sein, die davon erfahren. Furada habe ich angelogen.«
Erneut hielt er inne und lächelte ob der Geräusche, die Fludd von sich gab, welcher von den Soldaten zum Schweigen gebracht wurde.
»Und ich habe auch Shogun Hidetada angelogen, als ich ihm geschrieben habe«, sagte Saburo. »Aber das war notwendig.«
» Warum habt Ihr das getan?« Dariole schnappte nach Luft.
Saburos Lächeln war sanfter als jeder andere Gesichtsausdruck, den ich bisher bei ihm gesehen hatte. »Ich habe mit Kata-rii-na gesprochen. Dann habe ich Furada angelogen. Er glaubt, ich hätte ihn hierher gebracht, damit er dem Shogun als Ratgeber dienen kann … wie Anjin-sama. Um ein Reich von Nihon aufzubauen.«
»Und das stimmt nicht?«
Zu spät erkannte ich, dass Sarkasmus nicht der richtige Tonfall im Umgang mit einem Sterbenden war.
Saburo lachte leise und klopfte mir mit einer blutigen Hand auf die Schulter. »Ich wusste, dass jeder das glauben würde.«
Ich ergriff seine Hand und ließ ihn so ein wenig
Weitere Kostenlose Bücher