1610 03 - Soehne der Zeit
Nähe zu bringen?«
Robert Fludd schnappte nach Luft und sagte mit dünner Stimme: »Ihr müsst mir nicht vertrauen. Ich bin sicher, Master Rochefort würde mich auf der Stelle töten, solltet Ihr nicht heilen, egal ob Sabotage, Eure Wunder oder einfach die Natur dahintersteckt.«
Langsam setzte Dariole sich auf. Ihr verwundeter, linker Arm fiel ihr wie selbstverständlich in den Schoß, als hätte sie es sich angewöhnt, ihn dort zu halten. »Wessen Idee war das?«
Ich nickte.
»Und Ihr glaubt, dass ich ihn auch nur in die Nähe meiner Wunden lasse?«
Robert Fludd runzelte die Stirn. »Ich habe den Eid der Ärzte geschworen.«
»Enthält der auch irgendetwas über die Vergewaltigung von Frauen?« Dariole blickte zu mir, obwohl sie zu ihm sprach. »Oder darüber, Männern in die Eier zu treten, wenn wir schon einmal dabei sind?«
Fludd errötete. Ich selbst war auch nicht gern daran erinnert worden. Für einen langen Augenblick schaute er Dariole an, blickte dann zu mir und schließlich auf die Astlöcher der Eichenplanken.
Das rhythmische Knarren des Schiffes erfüllte die Stille.
»Ihr habt Recht.« Fludd durchbrach das Schweigen. »Ich habe mich entschieden, meinen Eid zu ignorieren. Alle Reue der Welt vermag nicht zu ändern, was Euch widerfahren ist, Mademoiselle Dariole.«
Ihre Stimme klang kalt. »Das ist richtig.«
Dariole hockte sich im Schneidersitz aufs Bett und schaute den englischen Arzt an. »Warum seid Ihr hier?«
Er zuckte mit den Schultern und antwortete, wie ich glaubte, ehrlich.
»Als ich damit begann, habe ich gebetet, ich möge Recht haben. Dass ich andere würde retten können, selbst wenn ich durch meine Taten verdammt sein sollte. Aber … Die Ungeborenen sind noch nicht hier, nicht wahr, Mademoiselle Dariole? Eines Tages werden sie jedoch genauso aus Fleisch und Blut sein wie Ihr jetzt. Eines Tages werden wir und alle um uns herum nur noch Staub in unseren Gräbern sein. Aber heute ist heute, und Ihr lebt … und seid verletzt. Von allem, was ich getan habe, ist Euer Leiden das, was ich am meisten bereue.«
Dariole schaute ihn ungläubig an. »Warum ausgerechnet meins?«
Ich sah, wir er stolz die Schultern straffte. »Weil Ihr in alledem keinerlei Rolle gespielt habt, außer dass Ihr habt leiden müssen. Ich bemitleide Euch, Mademoiselle Dariole, denn Ihr seid schuldlos.«
Dariole lachte.
Der Zynismus in ihrer Stimme ließ mich unwillkürlich zusammenzucken.
Es fiel nicht genug Licht durch die kleinen Glasfenster auf das Bett, als dass ich Darioles Gesichtsausdruck hätte erkennen können. Dariole beugte sich vor und starrte Fludd an.
»Messire, was in London geschehen ist, war nicht meine Schuld. Oder vielleicht doch – zumindest teilweise. Das räume ich ein. Aber niemand hat mich dazu gezwungen, Saburo zu töten.«
Unbeholfen rutschte sie zur Bettkante vor. Der Arm bereitete ihr offenbar Schmerzen. Sie stach mit dem Finger nach Robert Fludd.
»Ihr habt mich nicht zu dem Menschen gemacht, der über Saburo hinwegtrampeln würde, nur um zu Euch zu gelangen. Das war ich. Das war alles ich.«
»Saburo hat es so gewollt«, mischte ich mich ein.
Dariole blickte von Fludd zu mir. »Er war mein Freund!«
»Und jetzt seid Ihr an einem Punkt in Eurem Leben angelangt, da Ihr nicht nur Eure Feinde und Angreifer, sondern auch einen Freund erschlagen habt. Als Ihr das Schwert aufgenommen habt, Mademoiselle, was habt Ihr geglaubt, würde das bedeuten? Habt Ihr gedacht, Rache gäbe es umsonst?«
Kurz schloss sie die Augen. Ihr Gesicht wirkte müde und weiß in dem Zwielicht. Ich wünschte, ich hätte mir eher die Zunge abgebissen, als derart mit ihr zu reden. »Dariole, ob Ihr es nun versteht oder nicht«, sagte ich, »aber Messire Saburo hat sterben wollen. Ihr habt ihm nur gegeben, was er selbst gewollt hat.«
Als sie die Augen wieder öffnete, schimmerten Tränen in ihnen. Sie fuhr sich mit der Hand darüber.
»Ich weiß … Ihr habt Recht, Messire.« Trotzig schüttelte Dariole den Kopf. »Ich wollte ihn nicht ermorden, und dafür könnte ich ihn hassen – Saburo, meine ich. Doch das will ich nicht. Denn ich habe es getan, nicht er.«
Ich konnte nichts anderes tun, als die Hand auszustrecken und ihre Wange zu berühren.
Sie zog sich nicht von mir zurück. Ihre Haut fühlte sich warm und feucht an, verschwitzt vom Schlaf. Aber da ist auch ein Hauch von Fieber, dachte ich.
Entschlossen legte ich die Hand auf die Schulter des stummen Arztes und sagte: »Ihr werdet zulassen,
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