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1610 03 - Soehne der Zeit

1610 03 - Soehne der Zeit

Titel: 1610 03 - Soehne der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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kommen sollte.
    »Caterina hatte Recht«, bemerkte ich, als sie wieder an Bord der Karracke kletterte. »Ihr heilt wie ein junger Hund.«
    Dariole schwamm in Hemd und Hose. Ein paar der Männer, jene aus Südostasien, ahnten vermutlich, dass sie eine Frau war, die Portugiesen jedoch nicht. Sie trug stets ein Messer bei sich und ein Grinsen auf dem Gesicht, als wolle sie einfach jemanden töten – irgendjemanden –, und die Männer der Santa Theodora gingen ihr aus dem Weg, doch nicht aus Feigheit, sondern aus jener Art von Furcht, wie man sie in der Gesellschaft Wahnsinniger empfindet.
    Dariole streckte den Arm im Sonnenlicht aus und stellte ihn so spöttisch zur Schau. Fleisch hatte sich unmittelbar unter ihrem Ellbogen zu beiden Seiten der Wunde zusammengeklumpt. Allmählich verwandelte sich die breite Narbe von rot zu rosa. »Hübsch, nicht wahr?«
    »Ihr habt zumindest noch Eure Sehnen«, bemerkte ich.
    »Ich weiß. Aber er wird nie wieder so sein, wie er einmal war.« Sie sah aus, als würde sie das auf gewisse Art sogar faszinieren. Sie sprang auf Deck, stapfte davon und hinterließ dunkle, nasse Fußabdrücke auf den Planken.
    Manche Dinge sind sogar für den Dümmsten offensichtlich, wenn man sich nur die Mühe macht nachzusehen, was man genau vor der Nase hat.
    Ich bin noch nicht fertig. Nicht nur ihr Fleisch ist tief verletzt. Ich muss einen Weg finden, sie zu heilen.
    Ich machte mich auf den Weg zu Robert Fludd an der Bugreling. Gabriel stand neben ihm und hatte ein Lächeln aufgesetzt, das sagte: Solange ich bei ihm bin, wird er schon nicht ertrinken – es sei denn, du willst es.
    Wenigstens konnte ich auf Gabriel vertrauen.
    »Was könnt Ihr sonst noch für Mademoiselle Dariole tun?«, verlangte ich zu wissen.
    Robert Fludd schüttelte den Kopf auf die typische Art der Ärzte. »Gar nichts mehr. Von hier an muss ich es der Natur überlassen.«
    »Die Natur ist selten freundlich«, bemerkte ich und ließ meine Größe eine subtilere Drohung aussprechen, als hätte ich die Hand aufs Schwert gelegt.
    Robert Fludds schmale Lippen zuckten. Sein Blick strich über mich, und er seufzte wie ein Schulmeister über einen dummen Schüler. »Und doch … Diese Dinge sind nicht so schrecklich, wenn Ihr bedenkt, welch Elend und welche Katastrophen große Teile der Menschheit jeden Tag befallen.«
    Bitterer Spott über sich selbst hallte in seiner Stimme wider.
    Ich glaube, es ist an der Zeit, dass du mich beachtest. Und Dariole.
    Wenn das ein loses Ende war, das man nur schwer zusammenbinden konnte, dann bedurfte es meiner Aufmerksamkeit nur umso mehr.
    »Eines fällt mir allerdings ein, was Ihr noch tun könntet«, sagte ich. »Verratet mir: Habt Ihr wirklich darüber nachgedacht, wie Ihr Euch bei ihr entschuldigen, wie Ihr Buße tun könntet?«
    Die vielen Reisen hatten ihre Spuren bei Fludd hinterlassen. Sein Haar war an den Schläfen grau geworden, und schon bevor er in Nihon eingetroffen war, hatte er es sich kurz geschnitten und den Bart gestutzt: alles Dinge, die jene verwirren sollten, die ihn erkennen könnten, sollte er durch Zufall auf einen von ihnen treffen. Hat der ›Zufall‹ Euch umgetrieben, Monsieur?, fragte ich mich.
    Nun hatte er sich vollkommen blank rasiert. Seine blassen Augen konnte er jedoch nicht verbergen oder die Linie seines Kinns und seiner Stirn. Ich hätte ihn in jedem Fall aus tausend Männern heraus erkannt. Sollte er ruhig in irgendeinem Hafen davonlaufen, ich würde ihn finden.
    »Ja, ich habe darüber nachgedacht«, sagte er leise und schaute mir in die Augen. »Aber Ihr seht ja, wie sie ist. Ich denke, sie wird mich töten, sollte ich je wieder versuchen, mich bei ihr zu entschuldigen.«
    Auf ein Nicken von mir hin hakte Gabriel sich bei ihm unter, sodass der dürre Mann keine Chance hatte wegzulaufen.
    »Wollen wir doch einmal sehen, ob wir uns nicht auch mit weniger zufrieden geben können«, bemerkte ich.
    So sehr ich ihn auch brauchte, seinen Gesichtsausdruck genoss ich. Mögen musste ich den Mann ja nicht.
    »Gabriel, bitte, führe Fludd in die Kabine von ›Monsieur‹ Dariole. Ich werde den Kapitän warnen, dass die neueste Behandlung für den verletzten Arm eine Menge Schmerzen verursachen könnte … und sollte er ein Schreien hören, soll er es einfach ignorieren.«
    Fludd war kreidebleich. Gabriel grinste verschwörerisch.
    Ich ging zum Kapitän und überbrachte ihm meine Botschaft. Als ich schließlich in die Kabine des ersten Maats kam, war diese mit Dariole,

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