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1610 03 - Soehne der Zeit

1610 03 - Soehne der Zeit

Titel: 1610 03 - Soehne der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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dass dieser Mann Euch behandelt, Mademoiselle. Niemand aus Saburos Volk würde seppuku durch Nachlässigkeit akzeptieren.«
    Dariole ließ die Schultern hängen und wirkte mit einem Mal kleiner, einsamer. »Aber … Fludd?«
    »Im Umkreis von tausend Meilen gibt es keinen anderen europäischen Arzt, den wir bemühen könnten. Doch er ist hier, Mademoiselle, hier und lebendig … und ich werde dafür sorgen, dass es so bleibt.«
    Fludd biss sich auf die schmale Lippe. Er schien vollkommen in Gedanken versunken zu sein, während Dariole ihn mit Mordlust in den Augen anstarrte.
    Sie sagte: »Das meint Ihr ernst, nicht wahr?«
    Ich reagierte nicht auf ihre Herausforderung, sondern winkte Fludd, woraufhin dieser sich an Dariole wandte.
    »Zeigt mir Eure Wunde.«
    Auf diesen Befehl im autoritären Tonfall des Arztes hin öffnete sie ihr shitage -Unterhemd.
    Wohlwissend, wie sie reagieren würde, – sollte ich versuchen, ihr zu helfen, blieb mir nichts anderes übrig, als geduldig zu warten. Als sie jedoch vergeblich versuchte, Kimono und shitage gemeinsam abzuschütteln, ging ich zum Bett, öffnete ihren obi und zog beide Ärmel über ihren linken Arm. Besser ich mache das als er.
    Der Stoff fiel ihr in den Schoß, und ihre blasse linke Schulter sowie ihr linker Brustansatz waren zu sehen. Als ich ihr nacktes Fleisch erblickte, wünschte ich mir, ich hätte sie in diesem Augenblick genauso begehren können wie in jenen, da ich mitten in der Nacht aus dem Schlaf hochschreckte.
    Dieses eine Mal war mein Blick nicht darauf fixiert. Dariole riss sich den Stoff vom Unterarm. Mehrere Zoll Baumwolle, feucht von gelbem Eiter. Ich konnte nur darauf starren. Eine böse Narbe und geschwollenes Fleisch. Die Wunde ist bei weitem nicht so gut verheilt, wie sie vorgegeben hat!
    Ich bemühte mich, den Blick nicht abzuwenden. »Könnt Ihr Eure Hand bewegen?«
    Nur ein Zucken in ihren Fingern begleitete den spöttischen Blick, den sie mir zuwarf. »Ich dachte, er ist der Doktor?«
    Robert Fludd streckte die Hand aus. Meine ruhte auf dem Heft des Dolchs. Dariole ließ es zu, dass er die Finger ihrer kalten, unbenutzten Hand ergriff, ihren Arm hob und am Ellbogen durchbog. Sanft drückte er auf den schwarzen Spalt, der von ihrem Ellbogen halb bis zum Handgelenk verlief.
    Ich sah Angst in Darioles Blick, doch ich bezweifelte, dass sie sich vor Fludd fürchtete. Vielleicht ängstigte sie sich davor, von ihrem siebzehnten Lebensjahr an verkrüppelt zu sein. Sie beobachtete ihn mit glühendem, vollkommenen Hass, der von Minute zu Minute wuchs, während er sie untersuchte.
    Mit überraschender Sanftheit legte Fludd ihr den Arm wieder in den Schoß. »Holt mir einen Eimer Wasser aus dem Meer. Ich muss die Wunde auswaschen. Mademoiselle Dariole, ich muss Euch warnen: Das wird wehtun.«
    Dariole hob die Augenbrauen und warf ihm einen derart spöttisch-verächtlichen Blick zu, dass ich mich wunderte, ihn nicht erröten zu sehen.
    Ihre Fingerspitzen noch immer in der Hand platzte Fludd heraus: »Ich mag meinen Eid ja in vielerlei Hinsicht gebrochen haben, aber ich bin immer noch ein Arzt!«
    Das Knarren der Planken hallte laut in der stillen Kabine wider.
    Dariole rührte sich nicht. Ich winkte Fludd, dass er weitermachen solle.
    Er blickte zu Dariole. »Außerdem brauche ich noch Papier und die Karten des Navigators, damit ich sehen kann, wo wir uns im Verhältnis zu den Sternen befinden. Wahrscheinlich werde ich im nächsten Hafen Kräuter kaufen müssen, wenn es in der Kombüse keine gibt. Die, die ich nicht bekommen kann, werde ich vermutlich durch einheimische Kräuter ersetzen können.«
    Dariole hob eine Schulter – ihre rechte – und ließ sie wieder sinken wie ein Pariser Duellant, der jedem zeigen wollte, wie wenig ihn der Tod kümmerte.
    »Tut, was Ihr wollt. Aber eins will ich Euch sagen, wenn Ihr es nicht schon wisst: Das ändert nichts zwischen uns. Gar nichts. Glaubt ja nicht, dass Ihr Euch bei mir entschuldigen könnt.«
    Das ist zumindest ein Anfang, dachte ich. Was auch immer ich tue – und das aus sehr unterschiedlichen Gründen –, ich kann es mir nicht leisten, einen von beiden zu verlieren.
    Die Santa Theodora schob sich durch das Wasser. Manchmal legten wir in einer Lagune oder einem kleinen Hafen an, um Wasser und Vorräte aufzunehmen. Dann ließ ich Dariole in dem warmen Wasser schwimmen, beobachtete ihr vernarbtes Fleisch unter den Wellen und hielt eine geladene Pistole bereit für den Fall, dass ihr ein Hai zu nahe

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