1610 03 - Soehne der Zeit
Gabriel und Fludd bereits voll. Die feuchte Mittagshitze ließ Kondenswasser die Schiffswände hinunterrinnen. Ich blickte zu Dariole, die am Fenster stand.
»Er gehört Euch, Mademoiselle«, sagte ich ruhig.
Sie schaute mich überrascht an. »Mir?«
»Ihr seid nicht an der Vergewaltigung gestorben«, sagte ich rundheraus. »Deshalb sollte er auch nicht an Eurer Rache sterben. Das ist alles, was ich verlange, denn ich brauche ihn lebend. Was den Rest betrifft, macht, was Ihr wollt, um die Sache zu erledigen.«
»Seit wann ist es Eure Angelegenheit, meine Sachen für mich zu erledigen?«, verlangte sie mit rasselnder Stimme zu wissen.
Robert Fludd trat zwei Schritte in die winzige Kabine hinein, bis er unmittelbar vor Mademoiselle Dariole stand. In dem hellen Licht, das durch die teilweise offene Tür hereinfiel, schien ihm in seinem Kragen heiß zu werden.
»Mademoiselle Dariole«, krächzte er.
Dariole starrte ihn an.
Er setzte den Hut ab und kniete unbeholfen vor Dariole.
Ich warf ihr einen Blick zu. Sie schien jedoch viel zu sehr auf Fludds Gegenwart fixiert zu sein, als dass sie sich durch die Geste an irgendwelche nächtlichen Spiele erinnert hätte.
Er sagte: »Ich entschuldige mich, und ich werde Buße tun.«
Darioles Stimme überschlug sich fast. »Was wollt Ihr mir denn anbieten? Das würde ich gerne wissen. Was … Was glaubt ihr, tun zu können, um das … das … wieder gutzumachen?«
»Ihr seid geschändet worden.« Fludd sprach das Wort mit bemerkenswert echter Wut aus, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass Dariole unmittelbar vor ihm stand. »Wegen meiner Taten … oder dem Fehlen derselben. Ich weiß, dass Ihr aus einer guten Familie stammt. Ich habe Berechnungen angestellt, Mademoiselle Dariole. Selbst nach Eurer Hochzeit wart Ihr noch Jungfrau, und nun hat ein Mann Euch diese Jungfräulichkeit geraubt, der nicht Euer Ehemann war. Eure Familie wird Euch enterben, weil Ihr illegitim bei einem Mann gelegen habt.«
Hässliche rote Flecken erschienen auf ihren Wangen. »Und?«
Fludd schaute sie entschlossen an.
»Die papistische Ehe, die Ihr geschlossen habt, kann nicht annulliert werden. Jede Untersuchung würde beweisen, dass Ihr nicht länger Jungfrau seid. Allerdings wird Euer Gemahl Philippe sich nicht einmischen, solltet Ihr außerhalb Frankreichs bleiben. Kehrt nach London zurück. Ich werde Euch Eure Ehre wiedergeben. Das ist alles, was ich zur Buße tun kann. Gestattet mir … Gestattet mir, Euch meinen Namen anzubieten. Ich werde Euch heiraten.«
Ich war vor Überraschung wie gelähmt.
Ich kann ihre Dolchhand nicht rechtzeitig genug packen, um sie davon abzuhalten, ihn zu töten. Ich habe nicht genug Platz, um zu ziehen, ihn zu verteidigen …
Dariole drehte sich um, öffnete das Fenster und ließ warme Luft und das Rauschen der Wellen herein. Dann drehte sie sich wieder um und atmete tief ein.
»›Heiraten‹ …«, echote sie.
»Ich weiß, dass es nicht das ist, was Ihr wollt.« Fludd sprach überraschend sanft, und er kniete nach wie vor. »Eine Frau hat nur ihren guten Namen, und ich biete Euch meinen an. Was könnte ich Euch sonst geben?«
Kurz schaute ich zu Gabriel Santon, der ans Bett gedrängt stand und vor Staunen den Mund offen stehen hatte. Da erkannte ich, dass ich wohl genauso dumm aussah.
»›Heiraten‹«, wiederholte Dariole.
»Nur um des Namens willen!« Robert Fludd klang kurz nervös. Verzweifelt schaute er Dariole an. »Brunos Formeln verraten mir, welche Taten ein Mann vollbringen wird, nicht, welche Gedanken sich dahinter verbergen, und über das Denken einer Frau sagen sie noch weniger aus. Ich bin nicht besser als jeder andere auch, wenn es darum geht, die Motivation der Menschen zu beurteilen. Ich sehe, was die Menschen tun werden, aber warum sie es tun, das vermag ich mit meinen Fähigkeiten nicht zu sagen.«
Dariole drehte sich um. Ihr Blick streifte mich, und er war so intensiv, dass es mir den Atem verschlug.
Sie blickte auf den Astrologen und Arzt hinunter.
Ihrem Gesicht nach zu urteilen, fehlten ihr die Worte, um auszudrücken, wie groß das Missverständnis zwischen ihnen war.
Ich sagte: »Ich brauche ihn arbeitsfähig, Mademoiselle.«
Abgesehen von dem instinktiven Mitgehen mit dem Schaukeln der Santa Theodora rührte Dariole sich nicht. Ich hörte, wie draußen Befehle gebrüllt wurden: Irgendein Segel an einem der drei Schiffsmasten musste neu ausgerichtet werden. Das Sonnenlicht, das durch das kleine Fenster fiel, wanderte
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