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1610 03 - Soehne der Zeit

1610 03 - Soehne der Zeit

Titel: 1610 03 - Soehne der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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die Eine war, die Fludds Berechnungen zunichte machen konnte. Aber wisst Ihr was? Das heißt nur, dass ich jemand … jemand Unnormales bin. Bizarr. Abweichend.«
    »›Unglaublich‹, ›selten‹ und ›seltsam‹«, erwiderte ich. »Auch das sind Worte.«
    Dariole schüttelte den Kopf. »Messire, ein Verrückter oder ein Bettler hätten das genauso gut machen können. Auch sie hätten seine Pläne durcheinander bringen können. Ihr wisst das, nicht wahr?«
    Ich brachte es nicht über mich, ihre gefalteten Hände zu berühren. Einen Augenblick später nahm sie sie herunter.
    »Und wisst Ihr was noch?« Sie schaute zu den blassen Lippen der Heiligen Jungfrau empor. »Es ist mir gelungen, seine Berechnungen durcheinander zu bringen, aber damit ist es noch nicht vorbei. Ich muss noch immer der Mensch sein, der ich bin. Der Mensch, den er verletzt hat. Der Mensch, der … der nicht wie andere Frauen ist.«
    Unwillkürlich murmelte ich: »Gott sei Dank.«
    Dariole schaute mich an.
    Die Dinge sind bei weitem nicht erledigt, dachte ich. Das ist erst der Anfang.
    »Warum wollt Ihr Fludd lebendig?«, fragte sie.
    Angesichts ihrer Offenheit vermochte ich mir weder ein Lächeln noch einen liebevollen Blick zu verkneifen.
    »Ein Grund dafür ist folgender: Ich möchte darauf wetten, dass Fludd, als er nach Japan gefahren ist, genau berechnet hat, auf welchem Schiff er sicher dorthin gelangen würde – und auch mit welchem Schiff er sicher wieder würde zurückkehren könne, sollte es ihm in Nihon nicht gut ergehen.«
    Nach kurzem Nachdenken machte Dariole eine Kopfbewegung, die ich als zustimmendes Nicken deutete.
    Ich stand auf und beugte das Knie noch einmal vor der Heiligen Jungfrau. Die hölzernen geta , die Dariole trug, klapperten auf den Steinen, als wir die Kapelle verließen.
    »Ja«, sagte sie. »Schiffsreisen … Offen gesagt habe ich Angst davor, Messire! Wenn man bedenkt, wie viel Glück wir schon gehabt haben, bis hierher zu kommen …«
    Sie macht solche Eingeständnisse, als würden sie ihren Wert in keinster Weise herabsetzen.
    Ich sagte: »Wenn ich nicht solches Heimweh hätte, könnte mich diese Angst dazu bewegen, den Rest meines Lebens in Hind zu verbringen. Allerdings vermag Monsieur Fludd uns zu sagen, welche Schiffe weder Stürmen, Riffen noch Flauten oder Piraten zum Opfer fallen werden.«
    »Er wird lügen!«, rief Dariole.
    »Das könnte er.« Ich sah, wie Dariole erregt nickte, und neigte den Kopf zu ihr. »Aber nicht, wenn auch er sich auf diesem Schiff befindet.«
    Das harte Sonnenlicht ließ Dariole die Augen zusammenkneifen. Sie zog den kleinen Sonnenschirm aus ihrem obi , den sie neben dem Rapier trug, und spannte ihn auf.
    »Warum darf ich ihn nicht töten?« Der Schatten des Schirms ermöglichte es ihr, die Augen wieder zu öffnen und mich anzuschauen. »Weil Ihr wollt, dass er für Euch Berechnungen anstellt?«
    »Nicht nur für mich«, antwortete ich. »Aber Ihr habt Recht, Mademoiselle, und … Mir ist der Gedanke gekommen, dass ich schon zu viele Vermutungen angestellt habe. Es gibt da eine Frage, die wir Robert Fludd sofort stellen müssen.«
    Ich fand ihn in unserer Unterkunft mit Gabriel und dem Gepäck von der Santa Theodora sowie Neuigkeiten von zwei, drei Schiffen, die Goa bald in Richtung Westen verlassen würden.
    »Ihr könnt sagen, welches das bessere Schiff für uns ist.« Ich stellte den Fuß auf eine unserer Kisten und blickte zu dem englischen Arzt hinunter, der auf dem Boden hockte.
    Er senkte den Blick. »Ja. Ich gestehe, dass ich das kann.«
    »Und Ihr könnt mir auch noch etwas anderes sagen.« Ich machte keinerlei Anstalten, Gabriel Santon oder Mademoiselle Dariole davon abzuhalten mitzuhören. »Es könnte Euch mehr Zeit kosten, aber wir können ohnehin von Glück sagen, wenn wir in weniger als einem Jahr wieder zu Hause sind. Ich werde Euch mit Papier und Feder versorgen, Monsieur Fludd, dann könnt Ihr Eure Berechnungen für mich machen.«
    Als er den Kopf hob, schienen seine Augen in einem klaren grauen Licht zu leuchten. Nach Saburos Tod und angesichts der Angst, die er vor Mademoiselle Dariole empfand, war ich davon überzeugt, dass er überhaupt nicht mehr in der Lage war, uns zu täuschen.
    »Und was soll ich für Euch berechnen?«
    »Zwei Dinge. Zum einen Prinz Heinrich Stuart«, sagte ich. Ich hatte auf der Fahrt von Nihon hierher so viel darüber nachgedacht, dass mir die Worte nun leicht über die Lippen kamen. »Ich will wissen, ob König James bei unserer

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