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1610 03 - Soehne der Zeit

1610 03 - Soehne der Zeit

Titel: 1610 03 - Soehne der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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Leuchtend rote und grüne Vogelfedern tanzten im Luftzug mit dem Staub über den Kirchenboden. Fast wie Lissabon, fast wie Frankreich … aber nicht ganz.
    Mademoiselle Darioles Gesicht nahm einen angespannten Ausdruck an. »Messire … Ihr wolltet immer vor mir knien, nicht wahr?«
    Zu jeder anderen Zeit hätte ich geglaubt, sie wolle mich mit dieser Frage demütigen. Nun jedoch sah ich, dass sie sich mit ihr beruhigen wollte. Ich schaute zu ihr hinüber.
    »Mademoiselle, ich hatte nie die Art von Angst vor Euch wie Fludd. Ich weiß nicht, wie lange ich mich schon danach gesehnt hatte, mich Euch zu Füßen zu werfen, bevor es mir bewusst geworden ist. Lasst uns sagen … einige Zeit.«
    Sie warf mir ein Lächeln zu, das jedoch im selben Augenblick wieder verschwand. »Er hat sich vor mir gefürchtet. Was geschieht, wenn ich … wenn ich das wieder haben will? Ich denke nicht, dass das gut für mich wäre. Beides zu mischen, meine ich: die Nachtwelt und …«
    Ihre Stimme verhallte.
    Ich sagte: »Bei mir werdet Ihr diese Art von Angst nie zu sehen bekommen, Mademoiselle.«
    Ihr Gesicht glich einem Gemälde: halb beleidigt und halb voller Sehnsucht, versichert zu bekommen, dass dem in der Tat so war.
    Ich konnte nicht anders, als sie anzulächeln. »Ich muss gestehen, dass mir schon vor einiger Zeit etwas aufgefallen ist: Ihr habt mich erniedrigt, geschlagen, mich öffentlich gedemütigt … aber Ihr habt mich nie wirklich verletzt. Ich bedauere, Euch sagen zu müssen, dass ich weiß, wie … sicher ich bei Euch bin, Mademoiselle.«
    Sie drehte den Kopf und funkelte mich kurz an. Ohne den Hut klebten ihr verschwitzte Strähnen des kurzen Haars auf der Stirn. Ihre Lippen wirkten so voll und weich, dass ich das Verlangen verspürte, meine Finger auf sie zu legen. Junger Mann und junge Frau in einem Leib.
    »Ich könnte Euch schon Furcht einjagen«, sagte Dariole und schnaufte schulmeisterlich.
    »Ihr könnt das Verlangen in mir wecken, meine Würde abzulegen.« Ich nickte in ihre Richtung. »Wenn sie eine Last geworden ist. Was den Rest betrifft … Ihr seid keine grausame Frau, oder zumindest habt Ihr die Chance, nicht so zu werden.«
    Sie blinzelte konzentriert. Eine grüne Eidechse huschte über die Hand der Muttergottes. Dariole beobachtete das Tier und verlagerte ihr Gewicht auf dem harten Boden.
    »Mademoiselle.«
    Ich wartete, bis sie wieder zu mir schaute, auch wenn sie noch immer die Hände zum Gebet gefaltet hatte.
    »Wenn ich Fludd wieder nach England bringen soll, habe ich schon genug mit Stürmen, Schiffswracks, Sklavenhändlern und der unleugbaren Tatsache zu tun, dass Gabriel Santon Fludd vermutlich erschlagen wird, sollte er ihn noch länger bewachen müssen.«
    Sie wollte nicht lächeln, das sah ich. Dennoch zuckte ihre Lippe.
    »Mademoiselle … Vielleicht hättet Ihr Robert Fludd wirklich töten müssen.«
    Ich ließ es fast wie eine Frage klingen.
    Den Blick noch immer auf die inzwischen reglose Echse gerichtet, sagte Dariole leise: »Ich dachte, wenn ich Rache nehmen würde, wäre es … Ich dachte, es würde auslöschen, was Luke mir angetan hat. Dass es so sein würde, als wäre es nie geschehen.«
    »Ah.«
    Die Echse verschwand so schnell, wie es für ihre Art üblich ist. Ich hätte lachen können, als ich sah, wie schnell sowohl Dariole als auch ich die Hände auf den Rapieren hatten und wussten, wo jeder Priester und jeder Gläubige sich befand.
    Dann entspannten sich Darioles Schultern wieder. Sie sagte: »Nichts, was ich tue, kann das Ungeschehen machen, nicht wahr? Selbst wenn wir die Zukunft verändern können, mit der Vergangenheit müssen wir leben.«
    »Ja. Eine andere Antwort vermag ich Euch nicht zu geben.«
    Dariole schaute mich wieder an. »Ist es böse, wenn ich mich trotzdem besser fühle, Messire? Weil ich ihm wehgetan habe?«
    »Ich glaube schon. Ja.«
    Sie nickte bedächtig. »Ich auch. Aber … Es ist so.«
    Gleißende Sonnenstrahlen fielen durch die geöffnete Kathedralentür fächerförmig auf den Kirchenboden und drangen in die braunen Schatten vor. Als sie sich wieder schloss, tanzten Flecken vor meinen Augen. Ein Mann in schwarzer Soutane ging an uns vorbei, und seine Schritte hallten laut von den Wänden wider.
    Dariole blickte ihm nach, bis er hinter dem prachtvollen Hauptaltar verschwunden war, und wandte sich mir dann wieder zu. »Ich werde Euch etwas sagen, Messire. Nach dem Zusammentreffen mit Schwester Caterina habe ich geglaubt, stolz sein zu können … weil ich

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