Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1610 03 - Soehne der Zeit

1610 03 - Soehne der Zeit

Titel: 1610 03 - Soehne der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
Vom Netzwerk:
drückte meinem Falben sanft die Sporen in die Flanken und lenkte ihn so wieder auf die tief zerfurchte, staubige Straße. »Reitet vor mir, sodass ich Euch sehen kann.«
    Fludd schüttelte den Kopf; nicht um sich mir zu widersetzen – das sah ich –, sondern zur Verneinung. »Ihr habt keinen Grund, mir zu misstrauen. Und sie auch nicht.«
    »Sie hat Eure Religion verändert, Monsieur. Eines Tages werdet Ihr ihr das vielleicht verübeln. Würde ich allerdings glauben, dass Ihr je wieder in der Lage seid, ihr zu schaden, würdet Ihr – trotz allem – schon längst in einem Grab in Nihon liegen.« Ich ließ diese Lüge für einen Augenblick im Raum hängen, um zu sehen, ob sie Wirkung zeigte. »Und gäbe es in Frankreich jemanden, dem ich Euch anvertrauen könnte, dann wären wir nicht in England. So wie es aussieht, ist Cecil jedoch am besten als Wärter für Euch geeignet.«
    Ich ritt hinter ihm, während Dariole und Gabriel vorn plapperten, und ich dachte darüber nach, wie ich am besten die von mir gewünschten Bedingungen schaffen könnte, sollte das dort vor uns tatsächlich Cecil sein.
    Ein Diener oder Bruder eilte herbei, als wir die Pferde von der Straße auf den Hof des Klosters lenkten, und redete auf uns ein, sämtliche Räume seien belegt, und deshalb müsse man uns die Gastfreundschaft verweigern. Wäre es ein Gasthof gewesen, hätte ich darüber nachgedacht, ihn zu bestechen; bei einem Kirchenmann – selbst einem Ketzer – wäre das jedoch nicht angebracht.
    »Und warum ist es so voll?«, verlangte ich zu wissen.
    »Der Earl of Salisbury hat jedes Zimmer belegt, und wie lange er bleibt, weiß niemand.«
    »Dann bringt meinen Namen und eine Nachricht zum Earl«, sagte ich und unterbrach den Laienbruder, als er dagegen protestieren wollte. »Er wird Monsieur de Herault sehen wollen; das verspreche ich Euch. Lasst Euch Zeit, und er wird Euch auspeitschen lassen, als wäret Ihr sein Diener.«
    Dennoch kam es zu einer Verzögerung, auch wenn das im Schatten der englischen Eichen nicht unangenehm war. Als gutes Zeichen betrachtete ich es jedoch nicht. Hatte man uns vergessen? Hatte der Herr Minister die Seiten gewechselt?
    »Monsieur de Herault?«, fragte eine hohe, klare Stimme.
    Ich drehte mich um und sah einen Kirchenmann in der Kleidung der englischen Ketzer unter den Bäumen. Er kam mir ungewöhnlich blass für einen Engländer vor, die für gewöhnlich eher rosig waren. Seine Augen waren gerötet.
    »Mein Name ist Bowles«, sagte er. »Ich bin der Kaplan des Earls. Mein Herr ist fast jenseits aller irdischen Dinge. Seit Monaten ist er schon krank, und nun stirbt er.«
    Das Knochengesicht des buckeligen Mannes schimmerte wie das marmorne › memento mori ‹, das am Kopfende seines Bettes stand.
    Ich vermag die Zeichen des Todes durch Krankheit ebenso gut zu erkennen wie die des Todes durch Gewalt. Nur noch ein, zwei Tage, dachte ich entsetzt, verbarg meine Gedanken jedoch hinter einer respektvollen Verbeugung. Höchstens.
    Im großen Refektorium des Klosters, wo Robert Fludd mit Gabriel an seiner Seite gestanden und Dariole sich auf der Bank gelümmelt hatte, hatte ich dem guten Doktor unverhohlen vorgeworfen: »Ihr habt das gewusst!«
    »Hätte ich es Euch gesagt, wären wir auch nicht schneller hier gewesen. Ich wusste, dass wir noch rechtzeitig kommen würden.«
    Es mochte ja keine freie Unterkunft mehr im Kloster geben; das hieß jedoch nicht, dass jeder Bruder, Diener, Bauer und Reisender in der Nähe, angezogen von den Gerüchten, nicht hierher geströmt wäre. Sie aßen und tranken im Refektorium. In nur wenigen Minuten hatte ich ein paar Geschichten beisammen. Als der Kaplan mit Namen Bowles wieder zurückkehrte, um mich in die Kammer im Hospiz zu führen, hatte ich keinerlei Ahnung, ob Robert Cecil noch mit mir über einen Vertrag würde sprechen können, der vor zwei Jahren unterzeichnet worden war.
    Ich ließ Robert Fludd in der Obhut von Gabriel und Mademoiselle Dariole zurück, oder ich glaubte es zumindest. Während ich Bowles folgte, hörte ich rasche Schritte hinter mir, und kurz darauf erschien Dariole an meiner Seite.
    Ich schwieg.
    Das eintönige, gotische Gemach, in dem der Earl lag, war trotz des Sonnenscheins draußen dunkel; die Ärzte hatten die Fensterläden geschlossen. Es dauerte einen Augenblick, bis meine Augen sich daran gewöhnt hatten. Ich sah den Earl zwischen den zurückgezogenen Bettvorhängen.
    Sein Kopf glich einem Schädel; er riss die Augen auf.
    »Monsieur

Weitere Kostenlose Bücher