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1610 03 - Soehne der Zeit

1610 03 - Soehne der Zeit

Titel: 1610 03 - Soehne der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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Rochefort?«, sagte eine dünne, geisterhafte Stimme aus der Dunkelheit. »Wie wunderbar! Es war eine der vielen, unbeantworteten Fragen in meinem Kopf, dass ich nie erfahren habe, was aus Euch geworden ist.«
    Ich ging zum Bett, Darioles schweigenden Schatten neben mir. Selbst in dem trüben Licht sah ich, wie weiß sie wurde.
    Robert Cecils winzige Gestalt wirkte verloren in dem großen Bett; es hätte genauso gut ein Kind sein können. Wie man es nun einmal tut, wenn man sich zwei Jahre lang nicht gesehen hat, suchte ich sofort nach Veränderungen bei meinem Gegenüber, und ich wusste, dass er das Gleiche bei mir tat.
    »Die Zeit war Euch wohlgesonnen, Monsieur Rochefort.« Cecils verhärmtes Gesicht nahm einen spöttischen Ausdruck an. »Zu mir war sie nicht so gut. Ich habe in Hatfield ein Grabmal errichten lassen: Oben liegt der Staatsminister Cecil in seinen Gewändern und darunter … Darunter wird ein Skelett in dünnen Kleidern liegen. Erst habe ich für Ersteres Modell gestanden, nun für Letzteres.«
    Das fehlende Licht ließ mich das Ausmaß seiner Krankheit nicht genau erkennen, doch ich konnte auch so genug sehen. Das Fleisch seines Leibes war wie Wachs geschmolzen. Seine Haut hatte die fleckig-schmutzige Farbe von Talgkerzen, und die Augen in seinem Kopf, groß, dunkel und leuchtend, waren alles, was noch von dem Cecil übrig geblieben war, den ich vor zwei Jahren gekannt hatte.
    Kurz suchte ich Zuflucht in Höflichkeiten, bevor ich auf mein Hauptanliegen zu sprechen kam und Mademoiselle Dariole vorstellte.
    »Die hic mulier .« Cecil lächelte und entblößte Zähne so gelb und lang wie die eines Schafs. »Seid willkommen, Mademoiselle. Ihr werdet es nicht wissen, Monsieur Rochefort … Mademoiselle hat einmal geruht, mich nett um einen Gefallen zu bitten.«
    Er redet Unsinn, dachte ich.
    Dann bemerkte ich, wie Dariole verlegen von einem Fuß auf den anderen trat.
    »Hat sie, Mylord?«
    »Mademoiselle de la Roncière hat mich um Euer Leben gebeten«, sagte der Earl und lachte keuchend. »Und ich hätte es ihr gegeben, selbst wenn ich beabsichtigt hätte, es mir zu nehmen.«
    Ich verneigte mich respektvoll. Dass sie zu Cecil gegangen sein musste, bevor man sie in die Zelle im Tower gebracht hatte, wusste ich. Dass sie jedoch geglaubt hatte, der Herr Minister würde mich tatsächlich hinrichten lassen … Nein, das habe ich nicht geahnt.
    Selbst in dem abgedunkelten Raum war deutlich zu erkennen, wie sie errötete.
    Robert Cecil sah meinen Blick und lächelte. Ein Politiker hört erst auf, die Menschen zu manipulieren, wenn er tot ist.
    »Ihr werdet gehört haben, dass Rosny – Monsieur de Sully – noch lebt.« Seine Stimme klang heiser und leise. »Auch wenn er nicht länger dem Ministerrat angehört.«
    Es als Wahrheit ausgesprochen zu hören, erschütterte mich. Ohne diesen Schutz vor der Königin …
    Cecil fuhr fort: »Er und ich, wir mussten uns im selben Monat und im selben Jahr von der Macht verabschieden … obwohl ich noch immer Einfluss bei meinem König habe.«
    »Sie hat ihn abgesetzt?«
    »Es gibt zu viele, als dass es nur die Königin allein gewesen wäre. Frankreich hat sich verändert, Monsieur Rochefort. Ihr seid lange weg gewesen. Ein Jahr, nicht wahr?« Plötzlich wirkte er verwirrt.
    »Ein wenig mehr als das.« Schmerz erfüllte meine Brust – ein Schmerz, den ich bei jedem anderen Mann Mitleid genannt hätte. »Mylord … Kann ich davon ausgehen, dass der Vertrag Bestand hat?«
    »Das wird er. Zumindest glaube ich das, wenn Ihr Fludd habt und ihn zu König James bringt. Und Ihr habt Fludd.«
    Er sprach vertrauensvoll genug, um mir zu schmeicheln.
    »Ich habe Doktor Fludd zu Euch bringen lassen, Mylord«, erwiderte ich höflich. »Er ist unten. Mein Mann kümmert sich um ihn. Ich hatte gehofft, ihn Euch als Gefangenen im Tower anvertrauen zu können. Aber …«
    Ein Schleier legte sich über seine Augen, als seine Konzentration nachließ. Die Krankheit schien es ihm fast unmöglich zu machen zuzuhören.
    Während ich mir noch die Worte zurechtlegte, die ich als Nächstes sagen wollte, riss er die Augen auf und stieß mit seinem langen, eleganten Finger nach mir. »Bringt ihn zu mir.«
    Bevor ich etwas sagen konnte, nickte Dariole und eilte leise hinaus. Jugend mag keine Sterbebetten, das hatte ich schon oft bemerkt. Dabei waren es doch wir Älteren, die wir uns mehr davor hätten fürchten sollen.
    »Die Königin hat eine Reihe neuer Minister ernannt. Allesamt hat sie sie

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