1610 03 - Soehne der Zeit
tänzelte das Tier nur ein paar Schritt zur Seite, bis ich es zügelte und nach unten schaute.
Die Wachen kannte ich nicht.
Den jungen Mann in modischem Wams allerdings schon.
Wenigstens ist einer seiner Sekretäre bei ihm geblieben, dachte ich. »Monsieur André.«
Er stieß einen Ruf aus, und ein Dutzend Männer mit Musketen stürmten aus dem Wachhaus und scharten sich um ihn. Ich saß auf meinem Pferd und schaute zu. Er knurrte: »Ihr braucht gar nicht erst zu versuchen zu fliehen!«
»Wäre ich hier, wenn ich das wollte?« Ich sprach in sanfterem Tonfall, als es meiner Stimmung entsprach. Monsieur André war schon immer ein aufgeblasener, humorloser junger Mann gewesen, aber zumindest hatte er sich als treu erwiesen. Ich hob die Hände, um zu zeigen, dass ich unbewaffnet war; dann stieg ich aus dem Sattel.
»Ich bin bereit«, sagte ich. »Ihr könnt mich jetzt zu ihm führen.«
André runzelte verwirrt die Stirn. Er warf einen Blick über den Hof zur Haupttür des Chateaus. Langsam schnallte ich den Schwertgürtel ab und hielt dem Jungen Rapier und Dolch entgegen.
»Durchsucht ihn!«, befahl André den Männern mit schriller Stimme, und an mich gewandt, sagte er: »Ich hoffe, er stellt Euch an den Pranger, bevor er Euch hängt. Mist und Feuerstein, Rochefort, und ich hoffe, Ihr verliert ein Auge dabei!«
Schade, dass du nicht der Spion und Mörder der Königin warst, sinnierte ich, während zwei Musketiere mich an Armen und Schultern packten und ein dritter mich durchsuchte.
In sogar noch sanfterem Tonfall bemerkte ich: »Der verstorbene König hat seine Feinde stets mit ›Monsieur‹ angeredet, egal für wie bösartig er sie auch gehalten haben mag. Es ist eine Schande, dass junge Männer seinem Beispiel nicht mehr folgen.«
Der jüngere Mann versteifte sich. Ich beschloss, ihn nicht weiter zu provozieren. Ich bin wegen des Herzogs hier, nicht wegen ihm.
André packte mein Wams an der Schulter. Dafür musste er nach oben greifen. Das hätte er wohl nicht getan, nahm ich an, hätten seine Musketiere mir nicht die Arme hinter dem Rücken festgehalten.
Die Wut in seinem Gesicht war so rein, dass ich fast beschämt den Blick abwandte.
»Einen Verräter haben wir vor mehr als einem Jahr bereits hingerichtet«, sagte er, »als man es endlich für angemessen gehalten hat, uns darüber zu informieren, dass Messire Gost sich an die Medici verkauft hatte. Aber er war nur ein Spion. Ihr jedoch … Ich hoffe, Ihr werdet hängen wie er, nur sollt Ihr eine Stunde lang ersticken!«
Ich muss gestehen, dass ich nie an Daniel Gost gedacht hatte, doch im Nachhinein musste ich auch einräumen, dass die Küche des Herzogs nie ein solch angenehmer Arbeitsplatz gewesen war, als dass ein Mann durch eine gewisse Menge Gold nicht hätte in Versuchung geführt werden können. Gost hatte dem herzoglichen Haushalt schon länger angehört als ich.
Ist Daniel ins Schwitzen geraten, als er erfahren hat, dass Maignan wegen ihm hat sterben müssen? Hatte er Albträume, und hat er den Strick fast willkommen geheißen, als man ihn ihm um den Hals gelegt hat'?
Auf Andrés Befehl hin setzten sich die Männer in Bewegung. Die Musketiere, die Befehl hatten, mich festzuhalten, taten genau das. Ich schaute mich um. Villebon war kein Ort, den ich oft besucht hatte. Wenn ich meinen Herrn, den Herzog, in seinem Heim aufgesucht hatte, dann zumeist entweder in Sully-sur-Loire oder Rosny. Ich nahm an, dass ich ihn hier in der gleichen Art von Gemach treffen würde wie dort oder im Arsenal: irgendein kleiner dunkler Raum, wo Sully hinter einem Schreibtisch voller perfekt geordneter Papiere saß.
Und ein Eichenfußboden, dachte ich, auf den ich mich niederknien und ihn um Verzeihung bitten konnte.
Doch für das, was ich getan habe, kann man sich nicht entschuldigen.
Aber vielleicht würde ich wie Doktor Fludd wenigstens eine Erklärung abgeben können.
Im selben Augenblick, da ich den Blick zu den weißen Mauern und den roten Ziegeldächern von Villebon hob und mich fragte, wo in diesem Gebäude ich Sully finden würde, ertönte plötzlich eine laute Stimme hinter mir.
André drehte sich um und starrte. Ich hörte einen Tumult am Stadtrand. War das Jubel? Oder etwas anderes?
Eine Reihe von Reitern galoppierte aus der Stadt, vorneweg ein graues Pferd. Der Herzog, dachte ich, und plötzlich war mir eiskalt. Die Hufe des Hengstes warfen gelben Schlamm in die Höhe. Sie schlugen so hart auf den Boden, dass ich es fast spüren konnte. Ihr
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