1610 03 - Soehne der Zeit
Klang hallte von den Mauern wider, als Maximilien de Bethune auf den Hof ritt, aus dem Sattel sprang und die Zügel in der Art eines Mannes nach hinten warf, der wusste, dass dort stets ein Diener stehen würde, um sie aufzufangen. Er schritt auf uns zu, während sein Pferd im Griff des Stallburschen nach hinten tänzelte und die anderen Reiter sich am Tor sammelten.
Sein Bart ist weiß geworden, dachte ich, als er näher kam. Unter der Samtkappe lugte sein Haar eisengrau hervor. Dennoch sah er nicht älter aus als ein paar Jahre über fünfzig, was er auch war. Noch immer schritt er wie der Mann einher, der mit Heinrich in Arques und Ivry geritten war, während er sich mit der Reitpeitsche gegen die Stiefel schlug.
»Monseigneur.« Ich versuchte nicht, mich aus dem Griff der Musketiere zu lösen. Hinter Sully saßen weitere Männer ab und auch ein paar Frauen in den Kleidern von Edeldamen. Ich konnte den Mann nur anstarren, während er näher kam: Heinrichs Vertrauter, Feind der Medici, Gouverneur Frankreichs im Ruhestand. Sein rundes Gascogner-Gesicht wirkte blass und entschlossen.
Er blieb vor mir stehen. Ich begann erneut: »Monseigneur …«
Er hob die Reitpeitsche und schlug mir mitten ins Gesicht.
Der Schlag kam zu schnell, zu überraschend, als dass meine Fechterreflexe mehr als das Schlimmste hätten vermeiden können. Die Peitsche traf mich von der Stirn bis zur Wange und über ein Auge. Ich schrie.
»Lasst ihn los!«, bellte er.
Die Soldaten traten rasch zurück.
Sein Gesicht glühte von Erkennen und Hass. Er hob die Peitsche erneut und schlug wieder zu. Diesmal traf sie mich quer über die Wangen. Ich spie Blut.
»Euer Gnaden!«, schrie ich verzweifelt. Er ließ noch zwei weitere Schläge auf meinen Kopf niedergehen. Ich hatte noch nicht einmal Zeit, den Hut abzusetzen, und nach dem zweiten Schlag rann mir Blut vom Kopf.
Ich sank auf ein Knie und hob die Arme, um mein Gesicht zu schützen. Die Peitsche des Duc de Sully traf mich mit voller Wucht in die Rippen und riss Wams und Hemd auf, als wären sie nichts.
»Monseigneur!«, schrie ich. »Hört zu! Bitte, hört mir zu!«
»Du Bastard! Verräter!«
Sullys Stimme war nicht wiederzuerkennen. Ich wagte es nicht, den Blick zu heben. Blut lief mir über das Gesicht. Irgendetwas stimmte nicht mit meinen Augen. Die Pflastersteine verschwammen, bespritzt mit Blut. Ich sah seine Stiefel neben mir. Eine Hand packte mein Haar.
Auch wenn er fünfzehn Jahre älter und einen Kopf kleiner war als ich, warf er mich nach vorn.
Ich leistete keinen Widerstand. In meinem Schmerz formte sich ein Gedanke: Ich verdiene alles, was er mir antun kann. Ich fiel auf Hände und Knie und schrie erneut, als die Peitsche auf meinen Rücken niedersauste.
Rufe ertönten hinter uns. Die Leute schauten zu. Ich konnte nicht sehen wer: Adlige, Gemeine. Manche jubelten, andere klangen besorgt.
Ich verbarg meinen Kopf zwischen den Armen.
Eine Reitpeitsche ist dazu gedacht, einem Pferd durch dessen dicke Haut Befehle zu erteilen. Menschliche Haut ist anders. Unter dem mageren Schutz meines Wamses und meiner Hose rollte ich mich auf dem Boden, und die Peitsche traf mich immer wieder und wieder und riss meine Kleider in Fetzen. Sie traf mich an Schenkel, Hüfte, Handgelenk, und die Schnur schlang sich um meine Rippen und hinterließ eine blutige Schwellung vom Nippel bis zu meinem Hals.
»Monseigneur, bitte, hört auf! Hört mir zu!«
Verzweifelt bellte ich ihn an. Soweit ich sagen kann, hörte er mich nicht. Es war jedoch kein Flehen. Trotz der Schmerzen wusste ich, dass ich das verdient hatte. Er hielt mich mit einer Hand am Haar gepackt und schlug mit der Peitsche zu, so hart er konnte, während ich mich auf den Steinen wälzte und schrie.
Ein Zischen traf mich an der Lippe. Ich verstummte mitten im Schrei, und Blut explodierte förmlich aus meinem Mund.
Er warf mich zu Boden. Die harten Steine waren fast so etwas wie eine Zuflucht für mich. Ich duckte den Kopf und drückte mein Gesicht in die Spalten zwischen den Steinen. Die Arme hielt ich über den Kopf, den Bauch am Boden. Nun traf seine Peitsche meine Schultern, meinen Hintern und die Oberschenkel.
»Hebt ihn hoch.«
Seine Stimme klang ausgelaugt und drohte, sich vor Wut zu überschlagen.
Ich wollte davonkriechen, doch meine Beine wollten mich nicht vorwärts schieben. Ich hörte, wie er sich mit belegter Stimme bei seinen adligen Gästen entschuldigte, und ich spürte, wie die Wachen mich an den zerschundenen
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