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1610 03 - Soehne der Zeit

1610 03 - Soehne der Zeit

Titel: 1610 03 - Soehne der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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Schultern packten. Sie wuchteten mich in die Höhe.
    Wieder aufrecht kam mir die Welt ungewöhnlich hell und verschwommen vor. Blut tropfte aus einer Wunde an meiner Schläfe, die ich gar nicht bemerkt hatte. Einer der Männer, die mich aufrecht hielten, war Monsieur André. Irgendetwas tropfte von meinem Haar auf den Kragen. Ich konnte einfach nicht klar sehen, und ich konnte auch nicht sprechen: Mein Mund fühlte sich an, als hätte man ein feuchtes Tuch hineingestopft.
    Maximilien de Bethune, Duc de Sully, stand einen Schritt von mir entfernt, die Peitsche nun in der linken Hand. Mit der anderen Hand schlug er mir ins Gesicht.
    Meine Knie gaben nach, doch die Wachen hielten mich fest; ich war nun nicht mehr größer als er. Er konnte mich schlagen, wo und wie er wollte. Seine Knöchel trafen mich am Jochbein, und ich hörte – durch einen Schwall von Schmerz –, wie er fluchte. Es war die raue Sprache eines Soldaten.
    Der Herzog machte eine barsche Geste. »Schafft ihn weg. Ich werde mich später um ihn kümmern.«
    Ich verlor nicht das Bewusstsein. Von irgendwoher kam ein Gefühl von Wärme. Ein Auge war blind. Das seltsame Gefühl auf meiner Haut war Blut, das auf ihr hinunterfloss; da es Körpertemperatur hat, bemerkt man es nicht so leicht. Ich hoffe bei Gott, dass es wirklich nur Blut ist. Irgendwie schien ich in einer anderen Zeit zu existieren, und ein Drängen durchfuhr mich: Ich beugte mich vor und erbrach meine letzte Mahlzeit. Blut lief mir aus der Nase.
    Fludd hatte nur Zeit für ein paar grobe Berechnungen gehabt. Ich würde lebend wieder zurückkehren. Aber er hat nichts davon gesagt, in welchem Zustand ich mich dann befinden würde.
    Mir klangen die Ohren. Wenn ich wollte, konnte ich Stimmen heraushören, und ohne nachzudenken, entschied ich mich, dass es Mademoiselle de la Roncière sein sollte. Fühlt Ihr Euch nun genug bestraft'?, flüsterte mir ihre Stimme zu. Oder werdet Ihr ihn anbetteln, Euch noch mal zu schlagen? Heinrich ist noch immer tot. Egal, wie viel Schmerz er Euch zufügt, daran wird sich nichts ändern.
    »Nein, aber er hat das Recht dazu.« Niemand konnte verstehen, was ich vor mich hinmurmelte; dafür waren meine Lippen viel zu geschwollen.
    Sully erteilte Befehle. Wie durch dicken Nebel hindurch erkannte ich seine Stimme. Schmerzhaft wurde ich an den Schultern gepackt. Ich wurde mir bewusst, dass man mich über den Boden schleifte. Ich hatte keine Ahnung wohin, oder was man dort mit mir machen würde. Kurz verlor ich das Bewusstsein, aber ob nun zwei Minuten, zwanzig oder zwei Stunden vermochte ich nicht zu sagen. Dann wachte ich mit einem Schrei wieder auf, als man mich auf den Boden warf.
    Eine Zeit lang lag ich mit dem Gesicht nach unten einfach nur da. Ich weiß nicht wie lange, ich wunderte mich nur benommen, dass ich noch am Leben war. Unter mir spürte ich irgendetwas Hartes, aber nicht kalt genug, als dass es Stein hätte sein können. Wenn ich mich vollkommen ruhig verhielt, ließ der Schmerz ein wenig nach. Aus dem Augenwinkel heraus konnte ich meinen Arm sehen. Der Stoff hing in Fetzen an ihm herunter, und darunter war rotes geschwollenes Fleisch zu erkennen inmitten schwarzer und blauer Flecken. Mit dem anderen Auge konnte ich noch immer nichts sehen. Ich stank nach Erbrochenem. Es klebte am Kragen meines Wamses.
    Hände rissen mich nach oben.
    Ich bin schon lange genug hier, dass das Blut trocknen konnte, erkannte ich und sog die Luft ein, als die an den Wunden festgeklebten Stofffetzen sich schmerzhaft lösten.
    »Steh auf«, befahl die Stimme des Herzogs. Verächtlich fügte er hinzu: »Du wirst nicht an ein paar Schlägen sterben.«
    Dieser ernste Herzog aus der Gascogne, der normalerweise so beherrscht war … Ich hörte Feuer in seiner Stimme, inzwischen zwar gedämpft, doch bereit, jederzeit wieder aufzuflackern. Er hat noch nicht einmal richtig begonnen, mich für mein Versagen zu bestrafen.
    Es gelang mir, aufrecht stehen zu bleiben, wenn auch ein wenig vornübergebeugt. Als ich vorsichtig den Handrücken an meinen Mund hob, spürte ich schmerzhaft, dass meine Lippen gespalten waren und meine Nase geschwollen. Meine Augen waren nur noch schmale Schlitze, das linke schlimmer als das rechte, und die Angst vor Blindheit jagte mir einen Schauder über den Rücken. Einen Augenblick später dachte ich, dass Fludd sich irren könnte. Wenn man mich hängen lässt, bleibt mir allerdings nur wenig Zeit, mir darüber den Kopf zu zerbrechen.
    »Rochefort«, sagte der

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