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1610 03 - Soehne der Zeit

1610 03 - Soehne der Zeit

Titel: 1610 03 - Soehne der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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Duc de Sully.
    Er stand neben einem Lehnstuhl, den man von einem Schreibtisch unter dem Fenster weggedreht hatte. Die Kammer war groß und spärlich beleuchtet.
    Ich dachte: Weiß er, dass winzige rote Flecken seinen Kragen zieren?
    Ich starrte die Tropfen meines Blutes an.
    André und die Musketiere standen in der Tür. Mit einem Fluch auf den Lippen befahl der Herzog ihnen zu gehen. Die Tür schloss sich hinter ihnen. Ich atmete tief durch und roch die vertrauten Gerüche, zu denen ich in den vergangenen fünfzehn Jahren meine Befehle bekommen hatte: von der Sonne gewärmtes Bienenwachs, Holzfeuer, alte Tinte und Bernstein. Das Licht auf den blassen Leinenvorhängen ließ eines meiner Augen tränen, und in meinem Magen spürte ich einen Eisklumpen. Nun muss ich es ihm sagen. Nun muss ich ihm die Wahrheit sagen, für die ich so weit gereist bin.
    Mühsam brachte ich hervor: »Es tut mir Leid, Monseigneur.«
    Ich wusste, dass das eine Reaktion provozierte. Sie war unmöglich zu vermeiden. Den Bruchteil einer Sekunde lang sah ich Robert Fludd in Darioles Armen und das Blitzen auf ihrer scharfen Klinge. Maximilien de Bethune, Baron Rosny und Duc de Sully fluchte wie ein Priester und schlug mir auf den Mund.
    Es gelang mir gerade noch, mein Gleichgewicht zu halten. Blut tropfte aus meinem Mund. Ich spie, wischte mir den Kragen aber nicht ab. »Das kann ich Euch nicht übel nehmen, Monseigneur. Ich mache Euch das nicht zum Vorwurf. Ich würde das Gleiche tun.«
    Das klang fast ironisch, aber mir war keineswegs nach Scherzen zumute. Es schmerzte mich mehr für ihn als für mich.
    »Ich bin gekommen, um Euch die Wahrheit zu erzählen.« Diesmal hob ich den Kopf, und es gelang mir, ihm ins Gesicht zu schauen. »Niemand außer mir kann sie Euch sagen.«
    Überanstrengung und Alter waren ihm tiefer ins runde Gesicht gegraben als noch vor zwei Jahren. Die Trauer ist noch nicht gestorben, ebenso wenig wie der Hass. Ich sah es in seinen Augen.
    »Welche Wahrheit?«, rief er angewidert und riss sich die Handschuhe herunter. Beide Hände waren um die Knöchel herum rot. »Du versuchst, mich schon wieder zu verraten. Das ist eine Falle. Als würde ich nicht schon aufmerksam genug beobachtet!«
    Ich hob die Hand erneut, wischte mir über den Mund und versuchte, meine Stimme wiederzufinden. Schmerz durchflutete mich. Ich hoffte, dass er mir einen klaren Kopf bescheren würde.
    Sully konnte unmöglich wissen, wer ihm in Paris über Cecils Gesandten eine Nachricht hatte zukommen lassen, wer ihn vor dem Medici-Verräter gewarnt hatte. Für ihn gab es keinerlei Grund dafür, warum dieser jemand ausgerechnet Monsieur Rochefort sein sollte, der nach ein paar warnenden Briefen einfach verschwunden war. Ich biss die Zähne zusammen und sprach die Worte, die ihn zum Zuhören bewegen würden.
    »Die Königin hat mich nicht geschickt.« Ich richtete mich auf, und jede Faser meines Körpers schmerzte von den Hieben. »Wenn Ihr mich töten wollt, Monseigneur, ohne selbst Blut an den Händen zu haben, dann übergebt mich ihr einfach. Sie wird mich so schnell wie möglich aufhängen, weil ich als Zeuge gegen sie aussagen könnte.«
    Sully senkte den Kopf. Ich wünschte, ich hätte sein Gesicht sehen können. Ich wagte nicht, den Finger ans Auge zu legen, aus Angst, der Augapfel könne herausgefallen sein.
    »Muss ich dir wirklich zuhören?« Sully sprach mit einer Mischung aus Müdigkeit und Hass, die mich tief traf. »Was wirst du mir sagen? Dass du Heinrich für seine Frau getötet hast?«
    Mein Herz setzte einen Schlag lang aus. Zwei Jahre waren seit Heinrichs Tod vergangen, und seine Trauer war noch genauso groß wie am ersten Tag – größer noch, nun da er dem Mann gegenüberstand, der dafür verantwortlich war.
    »Ja, Monseigneur. Maria di Medici hat von mir verlangt, den König zu töten.«
    »Ich werde dich aufhängen lassen«, sagte Sully. »Dass du es gewagt hast, hierherzukommen und mir das zu sagen …«
    »Monseigneur«, begann ich und versuchte, die Gedanken in meinem pochenden Kopf zu ordnen. Ich war genauso schuld an Heinrichs Tod, als hätte ich ihm den Dolch selbst ins Herz gerammt; ich war schuld am Tod von François Ravaillac, aber es war alles nur ein Unfall … ein Unfall. Die Königin hat mich mit Eurem Leben erpresst …
    Es gelang mir, nicht auf die Knie zu sinken. Es war nicht an mir, um Verzeihung oder Absolution zu bitten. Es war an mir, die Wahrheit zu erzählen. Ich blickte zum Herzog, meinem Herrn, Maximilien de

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