1610 - Knochen-Lady
Melodie hörte, die einen Anruf ankündigte. Nicht bei mir, dafür bei Bill.
Es war Johnny, auf dessen Rückruf Bill schon gewartet hatte.
»Ja, hast du alles bekommen?« Er stellte auf laut, damit ich mithören konnte.
»Sicher, Dad.«
»Und?«
Johnny lachte. »Ist ja ein scharfes Foto. Wo hast du das denn gesehen?«
»Ich bin mit John zusammen. Es ist unwichtig, wo wir es gesehen haben. Ich möchte von dir nur wissen, ob dir diese Person bekannt ist. Sie heißt Miranda. Hast du sie schon mal gesehen?«
Johnny legte eine kleine Pause ein, um es spannend zu machen.
»Ich bin mir nicht sicher, aber es könnte sein.«
Da zuckten wir beide zusammen.
»Und wo ist das gewesen, Johnny?«
»Das war auf einer Zauber-Party. Magic Women, so hieß sie. Da traten besondere Frauen auf. Ist schon ein paar Wochen her. Sie war mal der Hit. Hat sich aber totgelaufen. Du weißt ja selbst, dass so etwas schnell out ist.«
»Okay, und weiter?«
»Ich habe die Fete besucht. War ein Spaß.«
»Und was hat Miranda da getan?«
»Sich mit den Köpfen unterhalten. Sie hat steif und fest behauptet, dass sie in der Lage sind, mit ihr zu sprechen. Jeder hat das Flüstern gehört. Niemand wusste, woher die Stimmen kamen. Wir haben alle gelacht, glaubten an einen Trick. Nur Miranda nicht.«
»Und was hast du getan?«
»Ach, ich habe mich auf die Bühne getraut. Ich wollte wissen, ob da etwas dran ist.«
»Und? War es?«
»Keine Ahnung. Sie hielt mir ihre Schädel an die Ohren, und da habe ich das Flüstern gehört.«
»Mehr nicht?«
Johnnys Stimme klang plötzlich ernst. »Doch, da war noch etwas. Ein Versprechen.«
»Weiter, Johnny, los…«
»Ja, ja, Dad. Ich muss erst mal nachdenken.« Das tat er auch.
Sekunden später hörten wir erneut seine Stimme. Sie klang jetzt leiser und auch angespannter. »Sie hat mir gesagt, dass sie mich nie vergessen würde.«
»Moment, Johnny. Sie oder der Schädel?«
»Eigentlich er. Aber die Stimme war schlecht zu unterscheiden. Die hätte einem Mann ebenso gehören können wie einer Frau. Ich würde sagen, dass sie neutral geklungen hat.«
»Davon weiß ich ja nichts.«
Johnny lachte. »Kannst du auch nicht. Ich habe dir davon nichts erzählt. Ich hielt es für Blödsinn. Aber jetzt, wo ich das Bild gesehen habe, liegen die Dinge anders.«
»Das meine ich auch. Mal eine andere Frage, Johnny. Hast du sonst noch einen zweiten Kontakt mit dieser Miranda oder einem ihrer komischen Schädel gehabt?«
»Nein, Dad. Ich habe nichts mehr gehört. Nur nach deiner Nachricht sieht alles anders aus. Aber ich frage mich, was die Person mit diesem Typen aus der U-Bahn zu tun hat. Ich stelle mir vor, dass du darauf hinaus willst, oder?«
»Ja, es könnte eine Verbindung bestehen.«
»Inwiefern?«
»Dass der Schädel auf diese Art das Versprechen wahr machen will, das er dir gegeben hat. So könnte man es sehen, wenn ich mich nicht zu sehr täusche.«
»Ja, das ist ein Ding. Aber was weißt du denn noch?«
»Leider zu wenig, Johnny. Da geht es mir ebenso wie John. Aber wir müssen davon ausgehen, dass diese Miranda im Hintergrund die Fäden zieht, und wir müssen sie finden.«
»Dabei kann ich euch nicht helfen, sorry. Habt ihr denn eine Spur, wo sie sich aufhalten könnte?«
»Bisher noch nicht.«
»Soll ich einsteigen?«
»Nein, auf keinen Fall. In der U-Bahn hast du Glück gehabt. Aber du hast uns geholfen.«
»Gut, dann weiß ich auch nichts mehr.«
Ich winkte Bill zu. Er verstand mich und übergab mir das Handy.
»Ich bin es, Johnny. Nur noch eine Frage. Bist du der Einzige gewesen, mit dem der Schädel Kontakt aufgenommen hat? Oder waren noch andere im Publikum, die auf die Bühne geholt worden sind?«
»Nein. Ich glaube nicht. Sie wollte zwar noch Zuschauer haben, doch die trauten sich nicht. Ich wollte den Spaß einfach mitmachen. Ich habe nicht an Magie geglaubt. Oder wollte wissen, ob es wirklich Magie war oder nur Hokuspokus.«
»Und?«
»Jetzt denke ich anders darüber, John.«
»Wir auch.«
Johnny fragte weiter: »Und was habt ihr vor? Gibt es eine Spur, die zu Miranda führt?«
»Bisher noch nicht. Aber wir geben die Hoffnung nicht auf.«
»Und ich bekomme Bescheid?«
»Klar doch.«
»Dann viel Glück.«
Ich bedankte mich und beendete das Gespräch. Bill bekam sein Handy wieder zurück.
»Eigentlich« sagte er, »sind wir jetzt so schlau wie zuvor.«
Er hatte recht.
Ich wollte ihm schon eine Antwort geben, doch dazu kam ich nicht mehr, denn ein anderer fing an
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