1615 - Allee der Toten
Stirn. »Ja, ja, es geht. Ich denke über ein neues Projekt nach.«
»Das ist gut.«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, das ist nicht gut.«
Dr. Fenton ging auf das Spiel ein. »Aber warum ist das nicht gut, Lucky?«
»Hm.« Er ballte die Hände zu Fäusten. Zugleich schüttelte er den Kopf. »Sie stören mich, Clive. Ja, verdammt, sie stören mich. Nicht so schlimm wie sonst, aber sie beeinträchtigen meine Konzentration.«
»Und wen meinen Sie?«
»Das ist doch klar. Es sind die Stimmen. Die verdammten Stimmen. Sie lassen mir einfach keine Ruhe.« Er drehte ruckartig den Kopf und schien uns erst jetzt zu bemerken. »Wer sind die beiden? Haben sie die Stimmen mitgebracht?«
»Nein, Lucky, das haben sie nicht. Es sind zwei gute Bekannte von mir.«
»Aus der Branche?«
»Ahm, ich…«
Auf keinen Fall wollte ich den Arzt in Verlegenheit bringen, deshalb ergriff ich das Wort.
»Ja, wir sind aus der Filmbranche.«
Plötzlich leuchtete es in seinen Augen auf. Er hustete vor Aufregung, zudem lief sein Gesicht rötlich an.
»Man hat mich also nicht vergessen.« Er nickte uns zu. »Ist das nicht so?«
»Ja, Mr. Lister.«
»Ach, sagen Sie doch Lucky.«
»Gern. Ich bin John. Und das ist Suko.«
Er klatschte in die Hände. »Echt geil, echt. Ich bin nicht vergessen worden.«
»Nein, das sind Sie nicht.«
»Haben Sie denn schon das Geld? Es ist recht teuer, einen guten Film zu finanzieren, das sollten Sie wissen.«
»Wir sind dabei, Lucky. Aber Sie wissen ja, dass es nicht leicht ist, die Mittel aufzutreiben.«
»O ja, o ja, das weiß ich, aber wer eine gute Idee hat, der schafft es auch.«
»Wie Sie, nicht?«
»Sehr richtig. Das habe ich bewiesen.«
Lucky Lister kam uns schon beinahe wieder normal vor, und ich fragte mich, ob er sich so weit zurechtgefunden hatte, dass wir ihn mit der eigentlichen Wahrheit konfrontieren konnten.
Ich wollte nicht so direkt an das Thema herangehen und versuchte es auf Umwegen.
»Können Sie uns denn einen guten Regisseur empfehlen?«
Es schien die falsche Frage gewesen zu sein, denn er zuckte zusammen.
»Was soll ich euch empfehlen? Ich - ich - bin der Produzent. Ich werde den Film machen. Was wollen Sie eigentlich hier? Oder wollen Sie nur mein Wissen?«
»Nein, nein«, sagte ich schnell. »Wir brauchen Sie auch als Ratgeber und als Produzent. Wir sind nur zwei Menschen, die eine Idee haben. Alles andere sollen Sie in die Wege leiten.«
Jetzt kam ich zum eigentlichen Thema und hoffte, nichts falsch zu machen. »Ihr letzter Film ist ja ein großer Erfolg gewesen.«
Lucky Lister riss den Mund auf und holte tief Luft. »Ja, ja, das ist er gewesen.«
»Und da wollen wir praktisch weitermachen.«
Lister schwieg. Er starrte mich an. Ich glaubte zu wissen, dass es hinter seiner Stirn arbeitete. Er schluckte. Er suchte wohl nach einer Antwort, und dabei fing er an, seinen Kopf seltsam zu bewegen. Er schaute wieder gegen die Wände und den Boden, ließ auch nicht die Decke außer Acht.
»Sie - sie sind wieder da!«, flüsterte er und schüttelte wütend den Kopf.
»Sie haben mich schon wieder gerufen. Haut doch ab, verdammt!« Er schlug mit den Händen nach seinen unsichtbaren Feinden, ohne natürlich etwas zu treffen.
»Wer sind sie denn?«, fragte ich. »Können Sie dazu etwas sagen?«
»Sie hassen mich.«
»Und wer hasst Sie?«
Er starrte mich an. Sein Blick hatte sich verändert. Irrsinn leuchtete darin.
Wieder drehte er den Kopf, und mit einer ruckartigen Bewegung stand er auf. »Es sind die Toten«, flüsterte er, als er neben dem Bett hin-und herging. »Ja, die Toten. Ich kann sie nicht mehr sehen, aber sie sprechen zu mir, verdammt.«
»Was sagen sie denn zu Ihnen?« Er blieb stehen, schüttelte den Kopf, presste die Hände gegen seine Ohren und setzte sich wieder hin. Er ließ die Arme langsam sinken, aber die Unruhe blieb weiterhin in seinem Blick bestehen, und erneut sah er so aus, als würde er etwas suchen.
Suko stellte die Frage, bevor ich sie aussprechen konnte. »Sind es die Toten aus der Allee?«
Ein Schrei! Schrill und ängstlich zugleich.
Lucky Lister fuhr in die Höhe, ließ sich aber sofort wieder fallen, blieb auf dem Bett hocken und schlang die Arme um sich. Ein scharfer Zischlaut drang dabei über seine Lippen.
Dr. Fenton mischte sich ein. Er hatte sich bisher zurückgehalten. Jetzt fürchtete er um das Wohl seines Patienten.
»Bitte, meine Herren, ich denke, dass es reicht. Sie dürfen den Mann nicht überfordern.«
Das wollte ich so
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