1616 - Mörderengel
dich jetzt etwas frage, was dir komisch vorkommen muss, ich meine es ernst.«
»Ja, ja - frag nur, John.«
Es war mir schon komisch, dieses Thema anzusprechen, aber es ging kein Weg dran vorbei. Ich musste einfach Gewissheit haben.
»Sag mal, Glenda, vermisst du nichts?«
Ich hörte erst mal nichts. Danach ein leises Lachen und die Frage: »Was sollte ich denn vermissen?« Noch mal lachte sie. »Wenn du dich und Suko meinst, dann muss ich mir die Antwort noch genau überlegen.«
»Nein, das ist es nicht.«
»Sondern?«
Ich schluckte noch mal und sagte mit leiser Stimme. »Lach nicht, aber es handelt sich um ein Kleid.«
Pause. Und doch war etwas zu hören, was mich sofort misstrauisch werden ließ. Erst Glendas heftiges Atmen, dann hörte ich ihre Worte, mit denen sie mir sagte, dass ich mich nicht geirrt hatte.
»Doch, John, ich vermisse ein Kleid von mir. Es ist noch neu. Als ich heute Morgen mein Schlafzimmer betrat, da sah ich, dass es nicht mehr da war. Dafür stand das Fenster offen und ebenfalls die Tür meines Kleiderschranks.«
»Das wollte ich nur wissen.«
»Warum?«
»Weil dein Kleid bei uns auf dem Rücksitz liegt.«
Jetzt war es Glenda, der es die Sprache verschlagen hatte. Sie sagte erst mal nichts. Es war zu hören, wie sie nach Luft schnappte und flüsternd fragte: »Wie kommt es denn auf deinen Rücksitz, John? Das ist verrückt.«
»Sollte man meinen.«
»Aber…«
Ich wechselte das Handy in die andere Hand. »Man hat es mir oder uns gebracht. Als wir auf einen Parkplatz fuhren, hing dein Kleid an einem Strauch.«
»Oh, das kann nicht wahr sein! Wie - wie - sollte das denn zustande gekommen sein? Der Fummel kann doch nicht fliegen.«
»Das ist er schon.«
»Was? Willst du mich auf den Arm nehmen?«
»Wäre zwar schön, aber nicht in diesem Fall. Das Kleid wurde uns gebracht, und zwar von einer Gestalt, die Suko und ich als einen Mörderengel einstufen.«
Glenda schwieg. Es kam nicht oft vor, dass ihr zweimal hintereinander etwas die Sprache raubte, doch hier war es eingetreten. Nach einer Weile fragte sie: »Das ist kein Scherz, John?«
»Leider nicht.«
»Tja«, flüsterte sie. »Dann wäre es wohl besser, wenn ich mal die ganze Geschichte hören könnte.«
»Kannst du.«
Glenda Perkins gehörte zu unserem Team. Wir hatten vor ihr keine Geheimnisse. Zudem hatte sie schon einiges durchgemacht, aber was sie an diesem Tag erlebt hatte, war ihr neu.
»Und wie lautet dein Fazit, John?«
»Ganz einfach. Wir würfen ihn nicht unterschätzen. Rasmus, der Mörderengel, ist uns auf der Spur.«
»Du meinst damit Suko und dich?«
»Klar. Aber du bist auch in seinen Focus geraten. Rechne damit, dass er noch mal bei dir erscheint.«
Glenda nahm die Nachricht recht cool auf. Sie wollte nur wissen, wie er genau aussah, denn ich hatte vergessen, ihr diese Gestalt zu beschreiben. Das holte ich jetzt nach und hörte ihren leisen Schrei, als ich die blaue Aura erwähnte.
»Was ist los?«
»He, das trifft zu! Ich habe ja über einem Dach eine Gestalt gesehen und auch den blauen Schein. Jetzt weiß ich, dass ich mich nicht getäuscht habe.«
»Okay, Glenda, dann weißt du jetzt Bescheid. Ich kann dir auch keinen Rat geben, wie du dich verhalten sollst. Man kann diesen Mörderengel noch nicht richtig einschätzen.«
»Gut, John, ich werde mich darauf einsteilen. Nur - was ist mit euch? Ihr habt noch eine ziemlich lange Fahrt vor euch. Da scheint es euch schlechter zu ergehen als mir.«
»Wir machen uns nicht verrückt und möchten, dass du ebenfalls einen klaren Kopf behältst.«
»Keine Sorge, das klappt schon. Ruf zwischendurch mal an, und ich werde es auch so halten.«
»Alles klar. Bis später.«
Ich machte Schluss und schaute sekundenlang auf den Apparat in meiner Hand. Sehr froh war ich nicht, sondern schon mehr als nachdenklich, denn was dieser Mörderengel noch alles vorhatte, war uns leider nicht bekannt.
Wir hatten überhaupt keine Ahnung von seinen Plänen, und das sorgte bei mir für Frust.
»Lass uns fahren«, schlug Suko vor. »Hier ist der Käse gegessen. Der Mörderengel hat seinen Spaß gehabt, und wenn alles so harmlos ist wie die Sache mit dem Kleid, brauchen wir keine Angst zu haben.«
»Glaubst du an den Weihnachtsmann?«, fragte ich.
»Nein. Und auch nicht mehr an den Osterhasen. Schnall dich an, es geht los.« Suko deutete auf die Tankanzeige. »Aber nur bis zur nächsten Schluckstation.«
»Wie weit ist sie entfernt?«
»Nicht mehr als zehn
Weitere Kostenlose Bücher