1616 - Mörderengel
Nein, da müssen Sie sich irren.«
Er schlug auf seine Schenkel. »Das habe ich gesehen, verdammt. Ich bin doch nicht blind.«
»Sind wir auch nicht. Wir haben es aber nicht gesehen.«
»Das können Sie ja Ihren Kollegen sagen. Ich habe sie alarmiert und…«
Er unterbrach sich. »Da, sie kommen.«
Es waren Sirenen zu hören, und dann tauchten zwei Wagen der Autobahnpolizei auf. Jetzt waren wir gezwungen, Erklärungen abzugeben, und das bedeutete einen Zeitverlust.
Der Trucker kriegte sich gar nicht mehr ein. Er wurde zu einem akustischen Maschinengewehr. Zwei der vier Polizisten ließen ihn stehen und kümmerten sich um uns.
Die Verhältnisse hatten wir sehr schnell geklärt. Natürlich mussten wir auch über den Fahrer des Unglückswagens sprechen und erklärten, dass ihm die Flucht gelungen war.
»War er nicht verletzt?«
»Anscheinend nicht«, sagte ich. »Zudem waren wir zu weit entfernt, um gute Zeugen abgeben zu können. Außerdem müssen wir weiter. Wir haben hier keine Privatfahrt vor uns.«
»Ja, gut, dann fahren Sie. Wenn noch Fragen auftauchen, an wen kann ich mich wenden?«
Suko gab dem Kollegen seine Karte. Jetzt wurde es für uns wirklich Zeit, dass wir wegkamen. Schnell liefen wir zurück zum Rover.
Ich fragte: »Soll ich fahren oder…?«
»Nein, nein, ich fahre weiter.«
»Okay.«
Es war kein Spaß mehr. Das ist es sowieso nie. Wir hatten es mit einer mörderischen Person zu tun, die keine Gnade kannte, denn sie entstammte einer Welt, in der solche Gefühle unbekannt waren.
»Weißt du, was mich am meisten stört, John?«
»Ich kann es mir denken. Jetzt hat die andere Seite in London freie Bahn.«
»Ja. Und wir hängen hier zwischen Baum und Borke fest…«
***
Es war schon etwas Besonderes, sich in den Kellerräumen des Yard Building zu bewegen. Selbst für Glenda Perkins und Sir James, denn sie mussten dorthin gehen, wo Dinge aufbewahrt wurden, die nicht ans Licht der Öffentlichkeit gelangen sollten.
Wie die Krone der Ninja und auch die heilenden Handschuhe, die Suko von einem Shaolin-Priester erhalten hatte.
Ein Beamter begleitete sie bis zu einer bestimmten Stelle, dann wurden Sir James und Glenda Perkins allein gelassen.
Mit einem schnappenden Geräusch öffnete sich die schwere Tresortür.
Das Innere war in zahlreiche Fächer unterteilt, die wiederum verschlossen waren.
Sir James wusste, wo die Krone der Ninja zu finden war. Er musste die mittlere Lade aufschließen und zog sie heraus.
Da lag die Krone auf einem Tuch.
Sir James schaute sie skeptisch an und fragte Glenda: »Soll ich sie wirklich nehmen?«
»Bitte, Sir. Sie ist der einzige Schutz, der Ihnen helfen kann. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.«
Er war noch nicht so weit und schüttelte den Kopf. »Aber Sie sind dann ohne Schutz.«
Glenda lächelte etwas gequält. »Keine Sorge, Sir, ich weiß mich schon zu verteidigen. Beinahe bin ich Saladin dankbar, dass er indirekt dafür gesorgt hat, dass dieses Serum in meinen Adern fließt. Bitte, nehmen Sie die Krone.«
Sir James kämpfte noch. Es fiel ihm nicht leicht. Auf seinem Gesicht zeigten sich dicke Schweißtropfen. Aber er überwand sich, nahm die Krone hoch und wunderte sich über deren Schwere.
»Keine Sorge, die werden Sie nicht spüren, wenn die Krone auf Ihrem Kopf sitzt. Das weiß ich.«
»Gut. Ich vertraue Ihnen.«
Sie schlössen die Panzertür und machten sich wieder auf den Rückweg.
Der Keller war hier kein angenehmer Ort. Die künstliche Kühle hinterließ auf ihrer Haut einen Schauer.
Sie meldeten sich ab. Einer wie Sir James musste keine Erklärung geben, was er geholt hatte. Das stand ihm dienstrangmäßig zu.
Er übergab Glenda die Krone, bevor beide in den Fahrstuhl stiegen.
Keiner lächelte. Die Gesichter zeigten den ernsten Ausdruck, der auch zu ihren Gedanken passte.
Bis zum Büro sprachen sie nicht mehr miteinander. Dort legte Glenda die Krone auf den Schreibtisch, wo Sir James sie mit skeptischem Blick betrachtete. Er hatte sogar die Gläser seiner Brille geputzt.
»Ich kann mich noch immer nicht daran gewöhnen, Glenda, dass dieses Stück Metall eine so große Macht innehat.«
»Das ist aber so. Sie werden sehen.«
»Dann soll ich sie aufsetzen?«
Jetzt musste Glenda lachen. Der Superintendent benahm sich wie ein kleines Kind.
»Ja, dafür ist sie hier.«
Noch zögerte er und warf Glenda einen fragenden Blick zu. Er schien den Ernst der Lage noch nicht richtig erfasst zu haben, und erst als Glenda erneut nickte,
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